Morgen letzter Tag!
aber den anderen hilft, schadet sich selbst. Deswegen ist es nur dann möglich, zu einer wirkungsvollen Maßnahme zu kommen, wenn alle mitmachen! Das aber wird nicht der Fall sein, weil mit jedem Land mehr, das sich entscheidet, etwas für den Klimaschutz zu tun– also für alle anderen –, es für die verbleibenden Länder attraktiver wird, sich gegen den Klimaschutz zu entscheiden. Weil man ja Nutznießer der Aktivitäten der anderen ist und sich zusätzlich noch einen Wettbewerbsvorteil verschafft, wenn man nicht mitmacht. Da aber alle so denken, macht keiner was, sondern alle spielen auf internationalen Konferenzen Verhandlungs-Mikado. Wer sich als Erster bewegt, hat verloren.
Tja, und das ist jetzt aber insgesamt schon eher traurig. Denn das führt ja, wie alle ebenfalls wissen, direkt in die Metakrise. Einen Zustand der weltweiten Destabilisierung. Dennoch ist es für die meisten Akteure auf der Welt vernünftig, sich gegen Rettungsmaßnahmen zu entschließen. Warum? Einen Hinweis erhalten wir wieder mal von Leon Fuerth: » Wir haben es hier mit einer Interaktion zu tun zwischen Menschen, die einer hoch organisierten industriellen Zivilisation angehören, und den physikalischen und chemischen Naturgesetzmäßigkeiten der Erde« (ebda.). Die entscheidende Frage ist also: Was ist die wirkliche Welt? Die Welt der Naturgesetze oder die Welt der Wirtschaft? Für die überwiegende Mehrheit der Entscheider auf dem Planeten ist die Antwort eindeutig. Die Wirtschaft schafft Wohlstand, Arbeit, Innovation und Fortschritt. Die Gesetze des Marktes entscheiden über Wohl und Weh einer Gesellschaft. Die großen Bosse und das große Geld verteilen die Posten in den Aufsichtsräten, und ihre Lobbyisten durchziehen die Welt der Politik wie Metastasen. Das, was also unser Leben gestaltet, ist eindeutig die Welt der Wirtschaft. Dass die aber den Naturgesetzten untergeordnet ist, wissen nur die Naturwissenschaftler. Doch wer zahlt ihre Studienplätze und ihre Forschungen? Na also.
Der einzige Weg aus diesem Debakel führt leider direkt durch die Katastrophe und nicht an ihr vorbei, denn was wäre die Alternative? Man müsste der Welt gegenüber eine verbindliche Entschleunigungsempfehlung aussprechen. Ich meine, sicherlich kann das jeder immer tun und es ist auch schon des Öfteren gemacht worden– aber immer ohne Folgen geblieben. Schon im Jahr 2006 fuhren geschätzte 700 Millionen Kraftfahrzeuge über unseren Lieblingsplaneten. Hätte man die in nämlichem Jahr mit einem Zauberstab allesamt durch kraftstoffsparende Hybridautos ersetzt, die nur noch etwa fünf Liter Benzin pro 100 Kilometer brauchen, dann hätte der weltweite Kraftstoffverbrauch jetzt, da diese Zeilen geschrieben werden (Sommer 2011 ), schon wieder das Niveau von 2006 erreicht. Also selbst eine gravierende Einsparung hätte das Wachstum des Verbrauchs nur marginal verlangsamen können. So erging es auch den weltweiten Initiativen zum Klimaschutz. Trotz aller Bemühungen war das Jahr 2010 das Jahr mit den größten CO 2 -Emissionen aller Zeiten.
Unsere Wirtschaft braucht Wachstum. Würde also ein Politiker, der das Licht gesehen hat (oder besser die nahende Dunkelheit), in einem plötzlichen Anfall von Vernunft empfehlen, was tatsächlich erforderlich ist, um den Aufprall auf die Zukunft abzumildern, dann müsste er empfehlen, dass wir arm werden und unsere Entwicklung nicht nur stagniert, sondern sich reduziert. Denn alles hängt am Wachstum. Sie erinnern sich– die Zinsen, die müssen erwirtschaftet werden. Wer das nicht mehr kann, wird nicht nur nicht reicher, er wird ärmer.
Und fragen wir uns mal, ob wir einer Aufforderung zur Armut Folge leisten würden. Die Antwort ist klar. Selbst, wenn wir wüssten (und wir wissen es), dass unser derzeitiges Leben direkt in die Metakrise führt, also zu Kriegen, Entbehrungen und dem Verlust der Humanität, würden wir einem Politiker folgen, der uns sagt, wir könnten diesem Zustand ausweichen, indem wir ihn vorwegnehmen? Also indem wir schon früher ein Stadium des Debakels erreichen, als wir das unbedingt müssten? Wohl kaum. Auch dann nicht, wenn wir guten Grund hätten zu vermuten (und den haben wir), dass das Debakel, das wir ohne eine abmildernde Entschleunigung erleben werden, noch schlimmer wäre als das, welches wir durch eine Entschleunigung erleben müssten.
Es ist wie bei einem Drogensüchtigen. Solange er sich seinen Stoff leisten kann und immer noch einen– wenn auch schwindenden– Kick bekommt, so
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