Morgen letzter Tag!
fragt, wie zum Henker die jemals zurückgezahlt werden sollen – vielleicht so kamikazehaft gar nicht ist. Sollen die eventuell gar nicht zurückgezahlt werden? Schulden bedeuten die Ausbeutung der letzten Ressource, die scheinbar unbegrenzt zur Verfügung steht: der Zukunft. Nimmt man überall deswegen so rücksichtslos Schulden in Billionenhöhe auf, weil man davon ausgeht, dass eine Zukunft, in der Schulden zurückgezahlt werden müssen, überhaupt nicht mehr stattfindet? Wenn ganze Gesellschaften zusammenbrechen und Gewalt und Destabilisierung die Zukunft sind, spielt dann Geld vielleicht gar keine so große Rolle mehr? Wäre es so, würde das bedeuten, dass die Staaten längst die Zukunft aufgegeben haben. Diskussionen um Rente oder Nachhaltigkeit wären eine reine Farce. Das stimmte allerdings nur, wenn tatsächlich keine Hoffnung bestünde, das Schlimmste noch zu verhindern.
Achim Steiner, Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und Mitautor der Studie über Globale Umweltveränderungen, schreibt weiter: » Der Klimawandel könnte die Staatengemeinschaft aber auch zusammenführen, wenn sie ihn als Menschheitsbedrohung versteht und in den kommenden Jahren durch eine energische und weltweit abgestimmte Klimapolitik die Weichen für die Vermeidung eines gefährlichen anthropogenen Klimawandels stellt.« Aha, ein Hoffnungsschimmer? Sicher, Herr Steiner klingt hier ein wenig so wie eine Schönheitskönigin, die sich bei einer Misswahl den Weltfrieden wünscht.
Aber nehmen wir das einmal ernst. Könnten die globalen Probleme, die ja allen Menschen gemeinsam sind, auch dazu führen, dass wir alle näher zusammenrücken? Mehr Verständnis füreinander aufbringen und uns solidarisch verhalten? Man möchte das gern glauben, allein die Fakten sprechen dagegen. Ich will das jetzt mal eben anhand einer wirklich ganz kurzen Geschichte aufzeigen.
Das Gefangenendilemma ist eine beliebte Denksportaufgabe aus der Spieltheorie. Zwei Gangster werden festgenommen und von der Polizei unabhängig voneinander verhört. Jeder der beiden weiß, wenn er den anderen verpfeift, dann muss er nur für ein Jahr ins Gefängnis. Der andere aber, der dichtgehalten hat, fährt für 20 Jahre ein. Halten aber beide dicht, dann hat die Polizei keine Handhabe und muss die beiden letztlich wieder laufen lassen. Jetzt ist die Frage, was ist für die beiden die beste Möglichkeit, um mit der Situation umzugehen? Wer dem anderen vertraut, der wird, wenn sein Vertrauen gerechtfertigt ist, wieder nach Hause dürfen, weil ja nichts passiert, wenn beide dichthalten. Petzt aber der andere, muss er für 20 Jahre in den Knast. Also doch lieber auf Nummer sicher gehen und den anderen verpfeifen? Dafür gibt es nur ein Jahr. Vertrauen bedeutet also großes Risiko. Vertrauensbruch nur ein deutlich kleineres. Und die Uhr tickt, denn nur wer als Erster auspackt, kann mit der verkürzten Haftzeit rechnen.
Abb. 7: Auch sie wünscht sich – wie wir alle – den Weltfrieden. Das ist nett. Aber aus irgendwelchen Gründen nehmen wir sie nicht richtig ernst.
An solchen Szenarien haben Mathematiker so ihre Freude, aber leider haben sie inzwischen auch Bedeutung für uns alle bekommen. Denn in der Welt, die wir uns verursacht haben, ist das wirtschaftliche Denken das oberste Paradigma. Immer noch haben die Grundgedanken, die Herr Hardin vorgedacht hat, ihre Bedeutung. Und wenn jetzt ein Staat beim Klima, Wasser oder sonst einem transnationalen Problem die Initiative ergreift, dann verstößt nämlicher Staat gegen die Regeln der wirtschaftlichen Vernunft: » Es ist eine traurige Tatsache, dass die optimale Strategie für jedes einzelne Land darin besteht, die anderen Länder zu überreden, ihre Emissionen zu reduzieren, während das einzelne Land selbst gar nichts tut … So würde ein Wirtschaftswissenschaftler die Situation beschreiben« (zitiert in Gwynne Dyer, »Schlachtfeld Erde«). So beschreibt David Keith vom Canada Research Chair für Energie und Umwelt die Lage. Und warum? » Wenn Sie Geld in Aktionen stecken, mit denen sich Ihr Land an den Klimawandel anpasst, dann wissen Sie, dass das Geld im eigenen Land ausgegeben wird und dass Sie genau dort auch davon profitieren werden. Wenn Sie Geld in den Klimaschutz stecken, erstreckt sich der Nutzen über die gesamte Erde« (ebda.). Und das eben wäre ein Verstoß gegen das heilige Kosten-Nutzen-Denken. Die Staaten der Erde befinden sich einem Wettrennen um die Pole-Position in der Weltwirtschaft. Wer da
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