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Morgen trauert Oxford

Morgen trauert Oxford

Titel: Morgen trauert Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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ich werde die Antwort nie erfahren.«
    »Warum wollen Sie es unbedingt wissen?«
    »Weil ich klare Verhältnisse liebe. Das hier ist wie ein unsauber vernähter Saum – irgendwie schlampig.«
    »Sie werden lernen müssen, in einer Welt zu leben, in der es nicht immer nur saubere Abschlüsse gibt und in der manchmal Fäden aus Säumen hängen.«
    »Ich habe ein Faible für Ordnung«, sagte Kate, »und ich habe gern alles unter Kontrolle.«
    »Beinhaltet Ihre Liebe zur Ordnung auch, uns der Polizei auszuliefern?«
    »Nicht unbedingt.« Wenn sie auf dem Dach sitzen blieb, hatte die Balustrade eine geradezu tröstliche Höhe. Ant war derjenige, der in Gefahr schwebte – er balancierte hoch über einem leeren Raum. »Glauben Sie denn, dass Sie so einfach davonkommen?«
    »Wir werden Oxford noch heute Abend verlassen. Ich glaube kaum, dass Sie und Ihr Polizistenfreund in der Lage sind, uns zu erwischen.«
    Hinter Ants Kopf konnte Kate die Hügel von Wytham und Cumnor erkennen. Die Autoscheinwerfer auf der Stadtumgehung sahen wie eine Reihe blitzender Diamanten aus. Sie stellte sich vor, wie Ant und die Familie sich in die Kette eingliederten und in ein neues Leben mit neuen Namen verschwanden, auf das Paul und seine Kollegen keinen Zugriff hatten.
    »Ich könnte von hier oben um Hilfe rufen. An der Ecke Brasenose Lane steht ein Polizist.«
    »Nein«, erwiderte Ant, »er ist schon lange fort.«
    »Und?«
    »Ich könnte Sie über die Brüstung schubsen«, sagte Ant emotionslos.
    »Aber Sie wollen doch nicht noch jemanden töten, oder? Olivias Tod mag notwendig gewesen sein, meiner ist es bestimmt nicht.«
    »Sie erzählen gute Geschichten«, sagte Ant, »die möchte ich der Welt auf keinen Fall vorenthalten. Ich sage Ihnen, was wir tun.«
    Wieso eigentlich stand sie hier auf dem Dach eines gigantischen Pfefferstreuers und verhandelte mit einem möglichen Mörder? Wieso holte sie nicht ihr Handy aus der Tasche und rief die Polizei an? Wahrscheinlich wäre innerhalb von Minuten ein Streifenwagen da. Man würde die Camera umstellen und Ant festnehmen. Und dann? Er würde schlichtweg alles leugnen, was er ihr gesagt hatte. Aber da war noch etwas.
    Sie mochte Ant.
    Sie bewunderte die hohen Ziele der Familie. Jedenfalls legten sie deutlich mehr Gefühl füreinander an den Tag als Liam und Olivia. Ganz zu schweigen von Liam und ihr.
    »Sagen Sie es mir«, nickte sie. »Nennen Sie mir eine Alternative.«
    »Geben Sie mir zwei Minuten Vorsprung. Anschließend können Sie durch diese Tür dort und die Wendeltreppe hinuntergehen. Wenn Sie unten am Haupteingang ankommen, sind Sie frei. Sie können sich entscheiden. Was Sie dann dort unten auf dem Platz tun, bleibt Ihnen überlassen.«
    »Vertrauen Sie mir etwa?«
    »Mir bleibt nichts anderes übrig.«
    Auch sie musste ihm vertrauen. Wenn er zu ihr auf das Dach spränge und sie über die Balustrade zerrte, wäre sie ihm ausgeliefert. Niemand hatte gesehen, wie er auf die Kuppel kam. Selbst wenn sie auf den Platz stürzte, würde niemand vermuten, dass es etwas anderes als ein Unfall gewesen wäre. Noch nicht einmal Andrew hatte Ant gesehen. Wenn sie aber um Hilfe riefe, könnte Andrew Pförtner und Polizei verständigen. Kate traf eine Entscheidung.
    »Gut«, sagte sie, »ich bin einverstanden.«
    Eine Sekunde lang sah sie seine Silhouette im Lichtschein, der aus der Tür drang. Dann verschwand er. Sprang über die Balustrade auf das schmale Sims. Leichtfüßig lief er die Runde bis zur anderen Seite, wo sich hinter einer zweiten, ebenfalls visierartigen Tür das andere Treppenhaus verbarg. Kate hoffte, dass er wenigstens keine Höhenangst hatte.
    »Auf Wiedersehen, Ant«, sagte sie leise. Er hörte es vermutlich nicht.

    »Was um alles in der Welt hattest du da oben auf dem Dach zu suchen, Kate?«
    Andrew sah ausgesprochen besorgt aus.
    »Und wer war der junge Mann, der die andere Treppe hinunterkam? Ich bat ihn um seine Benutzerkarte, aber er lachte mir nur ins Gesicht und ging einfach weiter. War das etwa ein Freund von dir?«
    »Nein. Aber an deiner Stelle würde ich mir keine Gedanken darüber machen, Andrew. Er hat bestimmt keine Bücher gestohlen, und er kommt auch nicht mehr. Warum machst du uns nicht beiden eine Tasse Kakao und wir sprechen von etwas anderem?«
    Wenig später verließ auch Kate die Camera.
    Vor dem Eingang blieb sie auf der Treppe stehen und blickte sich um. Ant war nirgends zu sehen. Aber eigentlich hatte sie das auch nicht erwartet.

KAPITEL 12
    Warum

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