Morgen trauert Oxford
wahrscheinlich selbst den abgebrühtesten Vertreter in die Flucht schlagen.
Doch vor der Milchglastür stand eine vertraute Gestalt.
»Hallo«, sagte sie und steckte die Nasenspitze durch einen schmalen Türspalt. »Was wollen Sie? Warum verschwinden Sie nicht einfach?«
»Wie charmant! Finden Sie nicht, dass Sie jetzt einen Tick übertreiben, Kate?«
Plötzlich war er im Haus. Wie ein Bollwerk blieb sie vor der Wohnzimmertür stehen. Er hielt einen großen Karton in den Händen.
»Ich habe Ihnen ein Geschenk mitgebracht«, verkündete er.
»Was ist denn da drin?« Argwöhnisch musterte sie das Paket. »Für mein Kaminsims ist es jedenfalls viel zu groß.«
»Na hoffentlich«, sagte Paul. »Wenn Sie versprechen, den Inhalt nicht gleich mit dem ersten Blick in Stein zu verwandeln, dürfen Sie hineinsehen.«
Sie öffnete die Tür zum Wohnzimmer, trat ein und nahm ihm den Karton ab. Langsam öffnete sie den Deckel und starrte ungläubig auf das, was sie enthielt.
Es war eine Katze. Kein kleines, wuscheliges, süßes Kätzchen, sondern ein Tier mit langen, etwas linkisch wirkenden Beinen, kurzem, buntem Fell und großen Ohren. Die Katze legte die Ohren flach und miaute Kate an.
»Ich will aber keine Katze.«
»Doch, Sie wollen eine. Sie brauchen eine.«
»Und was soll ich mit ihr anfangen, wenn ich verreise? Wer würde sich um sie kümmern? Der kleine Krötengesichtige von nebenan etwa? Der würde bestimmt liebend gern ein paar grausame Experimente mit dem armen Tier veranstalten.«
»Erstens verreisen Sie so gut wie nie, und zweitens würde ich mich in einem solchen Fall natürlich um sie kümmern.«
Kate musterte Paul mit verschlafenen Augen. »Wie kommen Sie darauf zu behaupten, dass ich eine Katze brauche?«
»Man merkt es eben. Sie brauchen jemanden, um den Sie sich kümmern können.«
»Jemanden?«
»Etwas. Irgendetwas anderes als Sie selbst. Etwas, das Ihr Haus durcheinander bringt und Ihre vorhersehbare Routine durchbricht. Wenn Sie so weitermachen, rosten Sie ein, Kate.«
»Hören Sie auf, mir Weisheiten vom Kaliber einer Enid Blyton aufzutischen.«
»Jemand muss es Ihnen einmal sagen.«
Einen Moment lang starrten sie einander feindselig an. Schließlich fragte Kate: »Braucht sie etwas zu fressen?«
»Jetzt noch nicht, aber demnächst.«
»Vermutlich muss man dafür eine Menge Zeug anschaffen«, unkte Kate, strich sich das Haar aus dem Gesicht und beäugte die Katze, die tief auf den Boden geduckt durch das Zimmer schlich und die Unterseite ihres Mobiliars begutachtete.
»Ich habe Futter mitgebracht, außerdem die Katzentoilette und Katzenstreu …«
»Ich gehe etwas Milch warm machen«, unterbrach ihn Kate, »und suche die angeschlagene blaue Schale, die ich eigentlich längst entsorgen wollte.«
Die Katze tauchte unter dem pinkfarbenen Sofa hervor und miaute sie an.
»Das arme Tierchen hat Hunger«, sagte Kate vorwurfsvoll.
»Das arme Tierchen lügt«, stellte Paul lapidar fest.
»Nun, vielleicht halten wir beide es ja doch miteinander aus«, sagte Kate. »Wie heißt sie überhaupt? Ist es eine Katze oder ein Kater?«
»Eine Katze«, antwortete Paul. »Ich würde es nie riskieren, ein männliches Wesen in dieses Haus zu bringen. Einen Namen hat sie übrigens noch nicht. Ich dachte, das überlasse ich besser Ihnen.«
»Und was geschieht mit dem Tier, wenn ich Ihr Geschenk nicht annehme?«
»Dann bringe ich sie zurück ins Tierheim. Wenn sie sich erst einmal eingewöhnt hat und mit dem Katzenpöbel zurechtkommt, wird sie bestimmt auch dort glücklich.«
Kate sah ihn an. Seit ihrer ersten Begegnung war er deutlich beredter geworden. Mit dem Zeigefinger kraulte sie die Katze vorsichtig zwischen den Ohren. Das Tier schmiegte ihr seinen Kopf entgegen, als gefiele ihm das Streicheln.
»Sehen Sie, sie mag Sie«, stellte Paul fest.
»Ich glaube, ich nenne sie Susanna.«
»Also gut, Susi, ich glaube, du hast ein neues Zuhause.« Und Paul nahm die Katze und setzte sie Kate auf die Schulter. Das Tier hieb seine Krallen in Kates schäbigen Morgenmantel und rieb sein Kinn an Kates Ohr.
»Ich hole nur eben schnell ihre Sachen aus dem Auto, dann gehe ich«, verkündete Paul.
Doch Kate hörte nicht hin. Sie und Susanna waren auf dem Weg in die Küche und führten ein angeregtes Gespräch über Futter.
»Hätten Sie vielleicht Lust, heute Abend mit mir essen zu gehen?«, fragte Paul. Er hatte auf dem Festnetz angerufen, was Kate genügend Zeit ließ, über Ausflüchte nachzudenken.
»Ich
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