Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morgen trauert Oxford

Morgen trauert Oxford

Titel: Morgen trauert Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
Vom Netzwerk:
Zusammenstellung von Mustern und Stilen auf das Konto eines begnadeten, sündhaft teuren Innenarchitekten ging »Kommen Sie herein, Kate«, sagte Brendan Adams. Zu ihrer Erleichterung benahm sich der Professor hier ganz allein mit ihr in seinem Landhaus wie ein perfekter Gentleman. Sie hätte durchaus etwas Gewagteres tragen können als die dunkelgrüne Hose mit farblich passender Bluse und cremefarbenem Leinenblazer – eine Kombination, die sie für so damenhaft hielt, dass sie gegen eventuelle Übergriffe gefeit sein dürfte. Selbst ihre Ohrringe waren klein und aus echtem Gold. Sie sah ganz nach englischer Country-Lady aus, dachte Kate, obwohl die bunt gestreiften Socken, die im Sitzen sichtbar wurden, das Bild ein wenig beeinträchtigten.
    »Darf ich Ihnen einen Sherry anbieten, Liebste? Oder vielleicht einen Whisky?«
    Kate wandte sich zur Tür um, wo die Stimme herkam, und wäre vor Überraschung beinahe aufgesprungen. Dort stand der Professor – als Frau verkleidet. Tweedrock, blaues Twinset, Perlenkette und undurchsichtige, braune Strümpfe sowie leicht verschmiertes Make-up und eine graue, zerzauste Perücke.
    »Darf ich vorstellen: meine Schwester Frances«, ließ sich die Stimme des Professors vernehmen. Gott sei Dank. Außerdem erklärte sich damit Brendan Adams’ hervorragendes Benehmen.
    »Vielen Dank, Miss Adams. Ich hätte gern einen winzigen Whisky«, antwortete Kate. Sie hatte den Eindruck, dass sie nach diesem Schreck einen gebrauchen konnte. »Ich muss zwar noch fahren, aber einer wird nicht schaden.«
    »Doktor«, korrigierte der Professor, »nicht Miss. Meine Schwester ist Expertin für Handschriften aus dem neunzehnten Jahrhundert. Ich dache, Sie würden sie vielleicht gern kennen lernen.«
    Mit ihren Whiskygläsern – einer größeren Portion für den Professor und seine Schwester, einen knappen Fingerbreit für Kate – setzten sie sich auf eines der ausgebeulten, jedoch ungewöhnlich bequemen Sofas. Kate spürte einen Fremdkörper, griff unter das Kissen und förderte ein Hundehalsband sowie einen Band Martin Chuzzlewit zu Tage. Dabei fragte sie sich, warum der Professor es für nötig erachtete, den Hund während seiner Reisen bei Olivia Blacket unterzubringen – schließlich lebte er mit seiner Schwester zusammen. Doch vielleicht wollte er die Frau damit nur necken. Auch sie selbst hätte dieser Versuchung nur schwer widerstehen können.
    »Wo fangen wir an, Herr Professor?«
    »Nennen Sie mich Brendan«, sagte der Professor mit einem kurzen Anflug seines lüsternen Blickes, ehe er sich der Anwesenheit seiner Schwester erinnerte. »Und ich weiß genau, dass meine Schwester gerne möchte, dass Sie Frances zu ihr sagen.«
    Das zerzauste Grauhaar nickte zustimmend vom anderen Ende des Sofas. Falls von dieser Seite ebenfalls lüsterne Blicke kommen sollten, wüsste Kate nicht, wie sie reagieren würde.
    »Also: Maria Ternan oder Taylor, wie sie nach ihrer Eheschließung hieß, ist Ihnen ein Begriff«, begann der Professor. »Sie wissen auch, dass sie in einem großen Haus in der Branbury Road lebte.« Kate nickte. »Bisher war man davon ausgegangen, dass weder Briefe noch Tagebücher aus den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts existierten.« Wieder nickte Kate. »Aber Sie hatten natürlich Recht mit Ihrer Bemerkung über die Oxforder, die niemals beschriebenes Papier wegwerfen. Das Bartlemas College beschäftigt seit kurzer Zeit eine einigermaßen qualifizierte Archivarin, die sich durch die Kisten voller Papier arbeitet, die dem College über die Jahre vermacht wurden. Das Archiv quoll fast über vor alten Rechnungsbüchern, Briefen und Gott weiß welchem Zeug. Sie hat alles aufgelistet, datiert, sortiert und unter ordnungsgemäßen Aufbewahrungsbedingungen untergebracht. Sie hat wirklich gut und professionell gearbeitet.«
    »Und ist dabei auf die Korrespondenz Ternan – Taylor gestoßen«, warf Kate begeistert ein. »Vielleicht sogar ein paar Liebesbriefe von Dickens selbst?« Ihre Fantasie begann mit ihr durchzugehen. Frances unterbrach sie.
    »Ich habe hier einige Seiten. Sie werden schnell verstehen, wo das Problem liegt.«
    Endlich! Der lang ersehnte Blick auf die Ergüsse einer liebestollen Schauspielerin, die Bekenntnisse eines der wichtigsten Autoren des Landes, die …
    »Schauen Sie sich das an«, sagte Frances. Sie legte ein Blatt Papier vor Kate auf den Tisch. Es war geringfügig kleiner als DIN A5.
    Es war durchaus möglich, dass es alles das war, was Kate sich

Weitere Kostenlose Bücher