Morgen trauert Oxford
abgestattet?« Brendans Augen sprühten vor Neugier. Mit einem Anflug von Boshaftigkeit musterte er ihre Kostümierung.
Hier war Vorsicht angesagt! »Nein«, antwortete Kate locker, »ich wollte mir nur einen Humpen Mourning Ale besorgen.«
»Vermutlich eine gute Idee. Unsere Olivia spinnt nämlich in der letzten Zeit ein bisschen. Besser, man geht ihr aus dem Weg.«
»Danke für den Hinweis«, sagte Kate und zerbrach sich den Kopf, wie sie am schnellsten verschwinden konnte.
»Allerdings wird das Mourning Ale im Clifford-Hof ausgeteilt, und nicht am Treppenhaus fünf«, sagte der Professor. »Und Sie müssen mir unbedingt demnächst von Ihrer Zeit im Bartlemas erzählen. Vielleicht bei einem Bier im White Horse. Platz, Ludo!«
Für Kates teure Strümpfe kam jede Hilfe zu spät. »Wollen Sie Ludo zu Dr. Blacket bringen?«, fragte sie, um das Thema zu wechseln.
»Oh ja«, antwortete er mit deutlicher Tücke im Blick. »Sie ist ganz versessen darauf, auf ihn aufzupassen. Na ja, sie tut mir eben gern jeden Gefallen. Und ich nutze natürlich jeden nur möglichen Vorwand, um die liebe Frau Dr. Blacket zu besuchen.«
»Heißt das, sie hat den Hund auch im Büro bei sich?«, fragte Kate verblüfft.
»Ich fahre mal wieder nach London«, sagte der Professor. »Sie muss mir einfach helfen.«
Der Professor sah ausgesprochen elegant aus. Er trug nicht mehr seinen ausgeleierten Wollpullover, sondern ein Tweed-Jackett mit aufgesetzten Lederflicken. Er versetzte Kate einen schmerzhaften Knuff, während der Hund sich angelegentlich mit den Riemchen an Kates kostspieligen Schuhen beschäftigte. »Ich möchte eine gewisse Dame in Westbourne Terrace keinesfalls enttäuschen!«
Wahrscheinlich hat er deswegen nicht seine Schwester gebeten, auf den Hund aufzupassen, dachte Kate. Vermutlich war sie der Meinung, er verbringe den Abend und die Nacht bei Kollegen in Oxford.
Sie sah den beiden nach, wie sie dem Weg um den Hof folgten und zum Treppenhaus fünf gingen. Kate schüttelte sich bei dem Gedanken an das Chaos, das der Hund in dem sowieso schon chaotischen Büro hinterlassen würde. Sie schlich Richtung Clifford-Hof. Wenige Meter weiter, unter dem Torbogen, lief Olivia an ihr vorbei. Sie war sehr bleich und immer noch wütend. Misstrauisch starrte sie Kate in ihrer geliehenen Akademiker-Robe an und versuchte sich stirnrunzelnd zu erinnern, woher sie die junge Frau kannte. Doch Kate gab ihr keine Gelegenheit, ihr Gedächtnis aufzufrischen, sondern eilte sofort weiter. Sicher würde Olivia sich noch mehr ärgern, wenn sie Ludo in ihrem Büro vorfand. Aber vielleicht würde sie den Verlust der drei Manuskript-Seiten seinen scharfen Zähnen zuschreiben.
Kate stellte sich in die Warteschlange für ihren Humpen Mourning Ale. Immerhin hatte sie den Studentinnen ihren Anteil an dem Zeug versprochen. Außerdem wollte sie so bald wie möglich die geliehenen Kleider zurückgeben.
Sie fand die Mädchen auf der Mauer sitzend, wie sie gesagt hatten. Ihnen schien nicht aufzufallen, dass Kate länger als fünf Minuten fort gewesen war. Freund Mark hatte zwar treu und brav den Wein geholt, aber nur allzu gern akzeptierten sie Kates Mourning Ale und kippten es sich ebenfalls hinter die Binde. Zum Dank boten sie ihr einen Plastikbecher mit bulgarischem Rotwein an. Ausgelassen versprachen sie Kate, sie dürfe sich jederzeit Robe, Barett und alles Mögliche bei ihnen ausleihen, solange sie weiterhin Fünf-Pfund-Noten verteilte. Sie trennten sich als beste Freunde.
Während Kate mit ihrer Beute durch die Broad Street eilte, fragte sie sich, um was es bei dem Streit zwischen Olivia und Liam wohl gegangen sein mochte. Missfiel Liam die Art, wie Olivia die Manuskripte interpretierte? Allerdings waren in der Unterhaltung deutlich schärfere Töne angeklungen, als bei intellektuellen Diskussionen gemeinhin üblich. Doch was wusste sie schon über die Arbeit an den Oxforder Colleges? Vielleicht gingen Akademiker tatsächlich so miteinander um.
In einem kleinen Laden in der Turl Street fotokopierte Kate ihre drei Manuskriptseiten. Zunächst dachte sie daran, die Originale umgehend zu Olivia zurückzubringen, doch dann fiel ihr ein, dass sie lieber erst die Originale mit den Kopien vergleichen sollte. Immerhin war es möglich, dass die Kopien schlecht lesbar ausgefallen waren. Außerdem würde sie sich zum zweiten Mal an diesem Tag ins Leicester College einschmuggeln müssen und riskierte überdies, Olivia erneut zu begegnen. Kate beschloss,
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