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Morgen trauert Oxford

Morgen trauert Oxford

Titel: Morgen trauert Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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Rückkehr sicher nicht erwarten, sie offen vorzufinden.
    Sie hörte, wie die Tür geöffnet wurde. Dann Schritte. Jemand betrat das Zimmer.
    In dem kleineren Raum stand ein schmaler Schrank, in dem Kate sich unter keinen Umständen verstecken wollte. Außerdem gab es einen Aktenschrank mit vier Schubladen sowie einen Kleiderständer aus Holz, an dem ein Talar, ein alter Regenmantel, Rock und Blazer auf einem Kleiderbügel und eine grüne Strickjacke hingen. Kate kauerte sich hinter den Aktenschrank und zog möglichst vorsichtig den Kleiderständer vor sich. Zwar würde man sie bei genauerem Hinsehen sofort entdecken, aber falls jemand nur einen flüchtigen Blick in den Raum warf, reichte es als Versteck.
    »Olivia, bist du da?«, rief die Stimme.
    Kate erkannte sie sofort. Sie gehörte Liam.
    Nun, so etwas war durchaus möglich. Immerhin lehrten beide im gleichen College. Es bedeutete absolut nichts. Sie würde doch nicht etwa eifersüchtig werden, oder? Kate spielte bereits mit dem Gedanken, aus ihrem Versteck zu kommen und Liam zu sagen, dass sie ebenfalls hier war, doch sie verwarf die Idee ziemlich schnell. Es wäre nicht besonders klug. Liam vertrat eine ausgesprochen altmodische Auffassung, was das Einbrechen in fremde Büros anging. Ganz zu schweigen vom »Ausborgen« von Manuskripten. Entschlossen, die ganze Geschichte auszusitzen, machte sie es sich so bequem wie möglich hinter ihrem Aktenschrank.
    Wieder kamen Geräusche von nebenan. Schritte, das Öffnen einer Tür, eine weitere Person, die das Büro betrat.
    »Liam? Was hast du denn hier zu suchen?«
    Es war Olivia.
    »Falls du es vergessen haben solltest: Du hast mich gebeten, dich nach dem Mittagessen zu besuchen.«
    Nein, das klang keinesfalls freundlich. Vielleicht hatte Liam abgelehnt, sie miteinander bekannt zu machen, weil Olivia und er sich nicht leiden konnten. Möglicherweise war er davon ausgegangen, dass Olivia sie erst recht nicht empfangen würde, wenn er sie empfahl.
    »Ach ja. Nun, dann wird es wohl das Beste sein, wenn du dich setzt.«
    Eine kurze Pause, das Geräusch weggeschobener Bücher, das Seufzen von Stuhlkissen, auf denen sich ein Hinterteil niederließ.
    »Mit den Ternan-Manuskripten hast du mich an einem wunden Punkt erwischt. Jedermann scheint sich dafür zu interessieren. Aber sie gehören nun einmal mir, und sie haben absolut nichts mit dem Leicester College zu tun. Ich habe sie bekommen, weil ich früher im Bartlemas College war.«
    Was hatte der Professor noch gesagt? Dass Olivia bezüglich der Manuskripte ein bisschen zu viel Leidenschaft an den Tag legte? Ein schlauer alter Mann, dieser Professor.
    »Wie kommst du denn voran?«, fragte Liam in dem ruhigen Ton, den Kate sehr wohl kannte; so versuchte er immer, sie zu beschwichtigen.
    »Oh, es ist wirklich aufregend. Ich weiß, dass ich so etwas nicht sagen sollte, aber die Briefe sprechen geradezu zu mir, Liam. Ich verstehe diese Frau. Ich habe den Eindruck, sie genau zu kennen. Ich teile ihre Gefühle. Wir machen in unserem Leben die gleichen Dinge durch, werden mit den gleichen Problemen konfrontiert und kennen die gleiche Zwiespältigkeit und Unentschlossenheit.«
    Kate entsann sich plötzlich des geschnitzten Madonnenbildes, das im Licht einer Lampe golden geschimmert hatte.
    Dann sprach Olivia weiter. »Und ich sage es noch einmal: Ich werde hintergangen. Nur weil ich eine Frau und noch jung bin, ist immer wieder Eifersucht im Spiel. Es gibt eine Menge Leute, die alles dafür tun würden, meine Karriere zu ruinieren. Sie versuchen, mir Steine in den Weg zu legen, um vor mir am Ziel zu sein. Sie versuchen, Aufsehen zu erregen. Die Briefe zu popularisieren. Einen Bestseller daraus zu machen.« Aus ihrem Mund klang es beinahe, als handele es sich um Pornografie. »Irgendjemand stiehlt meine Manuskripte, das weiß ich genau.«
    »Bist du sicher?«, fragte Liam.
    Kate fragte sich, wie Olivia in ihrem Durcheinander so etwas überhaupt bemerken konnte.
    »Oh ja, ganz bestimmt. Inzwischen glaube ich auch zu wissen, wer es ist. Und ich werde ihm einen Riegel vorschieben.«
    »Gut«, lobte Liam, der offenkundig einen Weg suchte, sie zu beruhigen.
    »Auf Diebstahl ist keine Karriere aufzubauen«, schimpfte Olivia. »Und wenn ich erst damit herausrücke, wer es ist …«
    »In unserem Metier ist es nicht besonders sinnvoll, sich Feinde zu machen«, unterbrach Liam. »Du darfst nicht vergessen, dass sich ziemlich viele Leute um sehr wenige Posten bemühen.«
    »Das wird nicht

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