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Morgen wirst Du frei sein (German Edition)

Morgen wirst Du frei sein (German Edition)

Titel: Morgen wirst Du frei sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Martini
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erwartet, in allen Räumen die Tapeten zu entfernen, Löcher zu vergipsen und Risse zu verputzen. Die Fensterstöcke und Rahmen wollte ich mir eigentlich erst im Sommer vornehmen, doch Zecke überzeugte mich, dass »wenn schon, denn schon« gelte.
    So hatte er bereits Raufaser an die Wände und Decken geklebt und sie mit weißer Farbe überstrichen, während ich noch, über und über mit feinem Staub bedeckt, die Fenster mit Schmirgelpapier von ihren Farbschichten befreite.
    Wir schufteten meist schweigend, aßen mittags Brote und tranken Kaffee, grillten abends Steaks im Freien und krochen gegen Mitternacht todmüde in unsere Schlafsäcke, die wir auf Luftmatratzen ausgebreitet hatten.
    Wir mieteten einen Transporter, fuhren zu IKEA und liefen durch die Ausstellungshallen. Große bunte Sitzkissen sollten das sperrige Sofa ersetzen, mehrere kleine Tische Flexibilität schaffen. Ein runder Glastisch mit sechs Freischwingern aus hellem Leder landete ebenso auf der Ladefläche wie bunte Vorhänge und Teppiche, ein Schreibtisch, Bücherregale für mein Büro sowie ein großes Bett.
    Zecke weigerte sich, einen Kleiderschrank zu kaufen. »Spießiger geht´s ja wohl nicht mehr!«, meinte er entsetzt. Wir erstanden stattdessen Regale und Kleiderständer und nahmen viele Kleinigkeiten mit, die das Haus wohnlich gestalten sollten. An der Kasse steckte ich meine EC-Karte in den Schlitz und bestätigte ungerührt eine vierstellige Summe.
    Nicht zu viel für mein neues Zuhause, fand ich.
     
    Im Sommer war das Haus fertig und mein Studium beendet. Mit beidem wusste ich zunächst nichts anzufangen. Wollte ich wirklich in Kleinspornach leben? Was wollte ich beruflich tun? Ich hatte nicht die Energie aufgebracht, mich zu bewerben.
    Das Angebot von Professor Heintzmann, am Lehrstuhl zu bleiben und zu promovieren, kam mir deshalb äußerst gelegen. Eine halbe Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter würde etwas Geld einbringen und mir genug Zeit lassen, mich um meine Dissertation zu kümmern - und natürlich auch um mein Leben.
    Mein Leben. Allmählich fand ich mich zurecht. Zecke war mir eine große Hilfe, nicht nur als Handwerker, sondern vor allem als Freund, mit dem ich nicht reden musste, damit er mich verstand. Zum Reden hatte ich eine Therapeutin.
    Einmal wöchentlich fuhr ich zu ihr nach Dachau in die Praxis, besprach Vergangenes und Künftiges und ordnete meine Gedanken und Gefühle.
    »Was wir hier tun können, ist ein erster Schritt hin zu einem Abschluss, nicht mehr«, hatte sie mir erklärt. Ein Vierteljahrhundert Leben könne man nicht ausradieren, selbst wenn man wollte. »Erlebtes begleitet und beeinflusst einen Menschen bis zu seinem Tod. Und das ist gut so. Stellen Sie sich vor, Sie würden alle Erfahrungen einfach löschen können. Wäre das erstrebenswerter, als aus ihnen zu lernen?«
    Nein, vergessen wollte ich nicht. Aber verstehen musste ich, was geschehen war, früher schon, als Vater noch gelebt hatte. Was für ein Mensch war meine Mutter gewesen? Warum hatte sie mich behandelt wie ein Möbelstück?
    Jede Therapiestunde und jeden Tag, an dem ich über die »Hausaufgabe« grübelte, die mir die Psychologin nach den Sitzungen mitgab, begriff ich etwas mehr. Stück für Stück baute sich ein Bild meiner Mutter vor mir auf, das ihre Sorgen, Ängste und Probleme umfasste. Und damit verstand ich auch mich immer besser.
     

43. Kapitel
     
    Der Prozess gegen Thea riss mich aus dem Frieden, der sich in mir breitgemacht hatte. Ich hatte den Termin verdrängt, daher erschien ich völlig unvorbereitet zum ersten Verhandlungstag.
    Bereits auf der Straße vor dem Landgericht waren Kamerateams aller Fernsehsender und Fotografen zu sehen. Der Gang über den Flur zum Gerichtssaal wurde zum Spießrutenlauf. Mikrofone wurden mir ins Gesicht gestoßen, Stimmen brüllten, Kameras klickten. Ich geriet in Panik, begann zu rennen. Einige Uniformierte drängten die Menge zurück und sorgten für Ruhe, indem sie mit Hausverboten drohten.
    Vor dem Saal stand ein Polizist, der meine Vorladung sehen wollte und mich erst nach genauem Studium des zerknüllten Zettels, den ich ihm hinhielt, durch die Tür schlüpfen ließ.
    Drinnen war von dem Lärm nichts zu hören. Der Raum strahlte eine sakrale Stille aus. Einige Personen unterhielten sich flüsternd.
    Thea, die Arme mit silbernen Handschellen um die Handgelenke auf dem Tisch, die Hände wie zum Gebet verschränkt, nahm mich als Erste wahr. Ihr Blick war derselbe wie der, mit dem sich

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