Morgen wirst Du frei sein (German Edition)
Blut gefunden, jede Menge, wie zu erwarten war bei dieser Verletzung.« Er machte eine effektvolle Pause. »Im Wohnzimmer.« Pause. »Auf dem Sofa.«
Ich starrte ihn an.
»Wahrscheinlich haben Sie es einfach nicht bemerkt, weil das Sofa einen dunkelbraunen Bezug hat. Außerdem hatten Sie andere Sorgen als einen Fleck auf der Couch. Und später ging jemand mit kräftigem Putzmittel darüber.«
Der Jurist setzte sich wieder. »Sie werden es wohl nicht gewesen sein. Wer also war es? Wer hat geputzt?«
»Thea«, flüsterte ich.
»Genau. Aber wie hat sie diesen Fleck gesehen? Da hinten in der Wohnzimmerecke ist es ziemlich dunkel, auch tagsüber. Sie muss gewusst haben, dass er da ist. Woher?«
Ich zuckte die Schultern.
»Womöglich ist sie ein sehr gründlicher Mensch, der den ... nun ja, nennen wir ihn abgewohnten Bezug eines durchaus als alt zu bezeichnenden Möbelstücks mit einer Lampe auf Flecken untersucht hat.«
Petermann lehnte sich in seinem Sessel zurück und grinste wie ein kleiner Junge. »Oder sie hat diesen Fleck verursacht.«
Ich sprang auf, lief zum Fenster, von dort zur Tür und wieder zurück. »Ich verstehe das nicht«, rief ich. »Thea soll mir also eins über den Schädel gegeben haben? Aber wann? Und wie? Womit? Und wo war meine Mutter?«
Meine Erregung stieg. »Die Haustüre ist immer verschlossen, alles ist verrammelt, da kann niemand einfach so rein!« Ich raufte mir die Haare, spürte die empfindliche Narbe. »Ich hätte doch bemerkt, wenn jemand hinter mir steht und ausholt ...« Ich stutzte. »Ist es überhaupt mein Blut?«
Petermann schaute meinem Ausbruch gelassen zu. »Es ist Ihr Blut. Ohne jeden Zweifel.«
»Und jetzt?«
»Frau Steinbichler wird vernommen.«
Ich setzte mich. »Sie soll, wie auch immer, in unser Haus eingebrochen sein, meine Mutter erstochen, mir eines über die Rübe gegeben, mich dann erpresst und sich ein Zuhause erschlichen haben?«
Ich schaute auf, nahm erstmals wahr, dass noch weitere Personen im Zimmer waren. »Sie muss mich vom Sofa in die Küche geschleppt haben. Ist das möglich?«
»Problemlos.«
»Das glaube ich alles nicht. Das klingt total abgefahren.«
Petermann lachte. »Nicht abgefahrener als die Tatsache, dass diese Frau einfach den Platz Ihrer Mutter eingenommen, regelmäßig deren Konto abgeräumt und Sie wie eine Art Sohn behandelt hat.«
Er beugte sich zu mir. »Überlegen Sie doch mal. Woher hätte sie wissen sollen von Ihrer Tat? Sie fand in einem verschlossenen Haus statt. Nachts. Außerdem wusste Sie jede Menge Details, viel mehr, als ein zufälliger Zeuge wissen kann. Das haben Sie selbst betont.«
Ich nickte.
»Ein zufälliger Zeuge würde niemals am Tag nach einem Ereignis mit einem derart ausgeklügelten Plan vor der Tür stehen. Er würde Geld verlangen, niemals aber den Platz eines Menschen einnehmen. Sie wissen doch selbst über die Lebens- und Wohnsituation der Frau Steinbichler Bescheid. Sie waren dort! Es passt alles. Sie suchte ein Opfer und sie fand - Sie!«
»Sie muss wahnsinnig sein«, murmelte ich.
Ich dachte zurück an ihre Ausbrüche, an den Ausdruck in ihren Augen, wenn wir stritten. Ich erinnerte mich an die Episode im Wald, an die Angst, die sie mir immer wieder gemacht hatte. Und ich sah ihren Blick vor mir, als sie Jessica kennenlernte. Diese Frau war verrückt!
»Ganz normal klingt das alles in der Tat nicht. Aber das festzustellen ist Sache der psychiatrischen Forensiker. Für uns zählt im Moment nur, dass die Fakten nicht mehr dafür sprechen, dass Sie Ihre Mutter getötet haben.«
»Aber ich habe sie im Moor ...« Ich schluckte.
»Wenn Sie eine Leiche beseitigen in der festen Überzeugung, diese Person umgebracht zu haben, ist das kein Delikt am Menschen.« Petermann legte die Fingerspitzen aneinander. Er dozierte jetzt. »Helfen Sie damit allerdings jemandem, decken also ein sogenanntes Kapitalverbrechen, gelten Sie als Mittäter, gegebenenfalls sukzessiver Mittäter, möglicherweise sogar als mittelbarer Täter. Das Strafrecht ist leider ziemlich komplex. Wie auch immer. Für das, was Sie getan haben, kommen nur untergeordnete Straftatbestände infrage. Wenn die ein Staatsanwalt verfolgen will, insbesondere in Ihrem nun wirklich außergewöhnlichen Fall, dann soll er nur. Er wird sich lächerlich machen. Dem werfen wir vom Schock bis über die Kopfverletzung alles vor die Füße, was die Medizin hergibt.«
»Das bedeutet ...« Ich schnappte nach Luft.
»Genau. Sie sind kein
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