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Morgen wirst du sterben

Morgen wirst du sterben

Titel: Morgen wirst du sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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dann zu wecken.
    Nachdem ihm zum zweiten Mal die Augen zugefallen waren, schaltete er den Fernseher wieder aus, ging im Zimmer auf und ab, machte Liegestützen, Sit-ups, Crunches. Er kochte sich Kaffee und trank ihn am Fenster. Draußen regnete es immer noch. Wenn V wirklich irgendwo im Garten hockte, war er zu bedauern.
    »Aber hier kommst du nicht rein«, sagte Philipp. »Vergiss es.«
    Als er seine leere Kaffeetasse zurück in die Küche trug, fiel ihm der Termin mit Dr. Campbell-Schildknecht wieder ein. Montagmorgen um zehn. Den Vorstandsvorsitzenden der Treubur AG hatte er vor drei Wochen schon einmal versetzt. Frau Klopp musste ihn entschuldigen, sonst konnte er diesen Auftrag ein für alle Mal vergessen.
    Aber Frau Klopp hatte keine Ahnung, dass Philipp an der Ostsee war. Er musste sie morgen zu Hause anrufen. Dann konnte sie sich Montagfrüh mit Campbell-Schildknecht in Verbindung setzen und den Termin canceln. Herr Preuss ist leider erkrankt. Oder verstorben. Je nachdem, wie erfolgreich V war.
    Philipp kurbelte den Rollladen im Wohnzimmer hoch und starrte nach draußen. Das Unwetter tobte, der Wind heulte wie ein wütendes Tier. Eine Sturmböe fegte einen Schwall Regentropfen gegen die Scheibe. Die Regenwolken verdeckten den Mond, es war so dunkel, dass Philipp nicht einmal den Baum sehen konnte, der unmittelbar vor dem Haus stand.
    Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Kurz vor Mitternacht. In wenigen Minuten begann der 2. Juli. Er ließ die Jalousie wieder herunter und ließ sich aufs Sofa fallen. Fernseher wieder an. Eine Talkshow zum Thema Schuldenkrise. Bitte nicht! Er griff zur Fernbedienung, zappte von Sender zu Sender und blieb schließlich bei Mission Impossible hängen. Den Film hatte er mit Vivian, die Tom Cruise sexy fand, im Kino gesehen. Gerade hing er an einem Finger an einer Hochhauswand und riss Witze, während auf ihn geschossen wurde. Was für ein Mann. Philipp legte die Beine auf den Wohnzimmertisch und gähnte.

U nd dann ruf ich ihn einfach an. Nur mal seine Stimme hören, denke ich. Wenn er abnimmt, leg ich wieder auf.
    Aber seine Frau geht dran. Wer sind Sie denn?, fragt sie.
    Frank Mesemann, sage ich. So heißt mein Ausbilder.
    Mein Mann ist nicht da, sagt die Frau. Er ist auf einem Kongress in Kiel.
    Wann kommt er denn wieder?, frage ich.
    Morgen Abend, sagt sie. Möchten Sie eine Nummer hinterlassen?
    Nein, das möchte ich nicht.
    Ich rufe wieder an, sage ich. Aber als ich auflege, weiß ich genau, dass ich das nicht tun werde. Dass ich es niemals tun werde.
    Kiel, denke ich, das sind fünfhundert Kilometer.
    Wenn ich jetzt losfahre, bin ich um halb vier da. Ich rede mit ihm und dann sehen wir ja. Dann sehen wir ja, warum er sich nie mehr gemeldet hat. Dann sehen wir ja, ob er sich überhaupt noch an mich erinnert. Dann sehen wir ja, was er für mich ist und was ich für ihn bin. Denke ich, und dann höre ich auf zu denken und fahre los und fahre wie der Teufel und bin in drei Stunden in Kiel.
    Es gibt nur ein Kongresszentrum in Kiel, und natürlich will man mich am Haupteingang nicht einlassen, aber es gibt einen Seiteneingang für die Kellner und da passt keiner auf.
    Die Halle ist voll mit Tischen und Menschen und Lärm, auf dem Podium sitzen vier Männer und diskutieren, aber keiner scheint ihnen zuzuhören. Die Ärzte in der Halle essen und trinken und unterhalten sich.
    Ich gehe zwischen den Tischen durch und suche ihn und finde ihn nicht. Als ich gerade aufgeben will, find ich ihn doch.
    Er sitzt ganz am Rand der Halle an einem runden Tisch und neben ihm sitzt eine Ärztin. Jedenfalls nehme ich an, dass es eine Ärztin ist, sonst wäre sie ja wohl nicht hier.
    Die beiden unterhalten sich, sie berühren sich nicht, sie lächeln sich nicht einmal an, aber etwas in ihrer Haltung, in ihren Blicken, in ihren Gesichtern sagt mir, dass sie sich nicht über Gebärmutterkrebs oder Scheidenpilz unterhalten.
    Da drehe ich mich um und gehe einfach weg. Und alles ist vorbei, bevor es richtig angefangen hat.
    Nein, das stimmt nicht. In Wirklichkeit gehe ich gar nicht weg, sondern auf ihn zu.

19
    Er wachte auf, weil ihn jemand an der Schulter berührte. »Hey, willst du nicht lieber ins Bett gehen?«
    Mit einem leisen Aufschrei fuhr er hoch.
    »Keine Panik, ich bin’s nur.« Julie hob beschwichtigend beide Hände.
    »Wie spät ist es denn?«
    »Gleich sechs. Mir geht’s ein bisschen besser. Ich glaub, das Fieber ist runter.«
    Das war allerdings schwer zu glauben. In ihrem weißen

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