Morgendaemmerung der Liebe
schon öffnete ihre Mutter vorsichtig die Tür.
„Jake?“
Der Angesprochene stand neben Jessicas Bett und hielt ein leeres Cognacglas in der Hand. „Kein Grund zur Sorge. Wir hatten nur ein kleines Problem auf dem Weg. Der Wagen blieb in einer Schneewehe stecken, wir mussten ein Stück bis zum Haus laufen. Jessica war völlig durchgefroren, sie musste sich in der Badewanne aufwärmen, und ich habe ihr gerade einen Cognac gebracht. Aber jetzt, glaube ich, ist sie wieder in Ordnung.“ Er sah fragend auf sie herunter, und sie nickte schwach.
„Ich konnte nicht schlafen und wollte mir eine Tasse Tee machen. Da habe ich Licht hier im Zimmer gesehen. Ist wirklich alles in Ordnung mit dir, Jessica?“, fragte Margaret besorgt.
„Ja, Mum, dank Jakes schneller Hilfe.“ Sie konnte nur hoffen, dass sie so lässig klang, wie sie klingen wollte. Das war ja lächerlich, dass sie sich wie zwei ertappte Teenager benahmen! Aber Jake tat es für ihre Mutter. Ansonsten hätte es ihn wohl keinen Deut gekümmert, wenn jemand sie in dieser verfänglichen Situation überrascht hätte.
„Na, wenn wirklich alles in Ordnung ist …“ Ihre Mutter wandte sich schon wieder zur Tür, und Jake folgte ihr, nicht ohne Jessica noch zuzuflüstern: „Ich denke, ich leide mehr als die Patientin.“
Jessica hatte gerade Zeit, aus dem Bett zu schlüpfen und ein Nachthemd anzuziehen, als es zum zweiten Mal an der Tür klopfte.
„Ich habe dir auch einen Tee gemacht.“ Margaret trat ein und stellte den dampfenden Becher auf dem Nachttisch ab. „Jake ist zu Bett gegangen. Ich bin froh, dass du dir doch ein Nachthemd übergezogen hast“, meinte sie trocken. „Das wird dich warm halten. Aber ich weiß, wie das ist, wenn man jemanden liebt.“ Sie lächelte. „Jake ist genau wie sein Vater.“
Wollte ihre Mutter damit andeuten, dass sie sich nicht von Jakes Geschichte hatte täuschen lassen? Jessica vermutete, Margaret wusste genau, was sie da unterbrochen hatte. Und jetzt, da ihre Mutter Jake und sie für ein Liebespaar hielt, würde Jessica wohl keinen Ausweg mehr finden.
Ihr blieb nichts anderes mehr, als die Sache mit der Hochzeit wohl oder übel durchzuziehen.
7. KAPITEL
„Oh Jake! Das ist wunderschön! Wo hast du das nur gefunden?“, rief Margaret entzückt.
Sie saßen zusammen und packten Weihnachtsgeschenke aus. Die sattgrüne Edeltanne, die ihre Zweige weit in den Salon streckte, war mit uralter Weihnachtsdekoration geschmückt, die schon seit Generationen im Familienbesitz war. Gemeinsam hatten sie am Vormittag den riesigen Baum dekoriert und dabei selbst gebackene Zimtsterne genascht. Jetzt loderte ein gemütliches Feuer im Kamin, während sie einander ihre Präsente überreichten. Jessica sah ihrer Mutter über die Schulter, um die feine Porzellanminiatur zu bewundern, die Jake Margaret geschenkt hatte. Ihre Mutter sammelte die detailgetreuen Figürchen, und diese hier war besonders schön.
„In einem Antiquitätenladen auf der Bond Street“, antwortete Jake lächelnd. „Freut mich, dass sie dir gefällt.“
Jessica fühlte sich plötzlich ausgeschlossen, als sie sah, wie ihre Mutter Jake herzlich umarmte. Ihr eigenes Geschenk, ein antikes Collier, hatte sie bereits ausgepackt. Jake hatte es ihr zärtlich um den Hals gelegt. Jetzt berührte sie es mit den Fingerspitzen, das kühle Edelmetall lag schmeichelnd auf ihrer Haut. Das Schmuckstück war ganz offensichtlich mit Sorgfalt ausgewählt worden und sehr kostspielig. Mehr als der finanzielle Wert zählte jedoch die Mühe, mit der das Geschenk ausgewählt worden war. Wer dieses Stück ausgesucht hatte, wollte ihren Geschmack genau treffen. Das matte Gold ließ ihre helle Haut schimmern, die Goldschmiedearbeit war beeindruckend. Im Vergleich dazu würde jeder sofort bemerken, wie wenig Aufwand sie mit ihrem Geschenk für Jake betrieben hatte.
„Du hast ja noch gar nicht nachgesehen, was Jessica dir geschenkt hat“, erinnerte Mark seinen Sohn.
„Das Beste hebe ich mir für den Schluss auf.“ Jake sah zu ihr und lächelte warm. Jessica wünschte, sie besäße auch nur ein Zehntel seines schauspielerischen Talents. Es wurde immer schwieriger für sie, die Fassade der glücklichen Braut aufrechtzuerhalten. Hinzu kam, dass die Erinnerung an ihr leichtfertiges Verhalten nach der Firmenfeier sie quälte. Himmel, mit einem Plakat um den Hals hätte sie ihre Sehnsucht nach Jake nicht deutlicher machen können! Sie versuchte, ihre Reaktion an jenem Abend auf den Wein zu
Weitere Kostenlose Bücher