Morgengrauen
vier Sekunden dauerte es, dann explodierte Hummel: »Raus aus meinem Badezimmer!«, schrie er den potenziellen Liebhaber seiner Frau an. »Und raus aus meinem Bademantel!«
Als er gerade dabei war, den nun splitternackten Bäuerle wie einen Hund die Treppe hinunterzujagen, stürmten Elke und Martina aus den Schlafzimmern.
»Hubertus Hummel!«, baute sich seine Ehefrau vor ihm auf. »Was soll denn dieses Geschrei so früh am Morgen?«
»Betrug!«, schrie Hummel mit hochrotem Kopf. »Du hast mich schon wieder betrogen!«
Jetzt schien Elke fassungslos. Martina schwankte zwischen Grinsen und sorgenvoller Miene. »Du meinst …« Elke rang nach Fassung. »Du meinst, ich hätte was mit Didi?«
Martina ließ eine Lachsalve los. Ihre Mutter schien das nicht ganz so lustig zu finden.
»Was denn sonst?«, fragte Hubertus aggressiv. »Was hat der Knilch denn sonst morgens um diese Uhrzeit in meinem Badezimmer zu suchen?«
Das »meinem« betonte Hummel dabei besonders demonstrativ. Das »Knilch« auch. »Wahrscheinlich hat er die ganze Nacht wie ein räudiger Kater in unserem Vorgarten gesessen und nur darauf gewartet, bis ich aus dem Haus war.«
Martina blieb nun fast die Luft weg vor Lachen. Und selbst Didi, der sich kurzerhand die Zeitung geschnappt hatte und als Sichtschutz vor den Unterkörper hielt, grinste jetzt.
Wie konnte der es nur wagen! »Kann mir vielleicht mal jemand erklären …« Hubertus konnte sich kaum noch beruhigen.
»Hubertus Hummel!«, setzte Elke endlich an, als sie wieder einigermaßen ihre Fassung gefunden hatte. »Diese Kriminalfälle machen dich wohl so langsam paranoid. Dietmar ist doch nicht meinetwegen hier, sondern wegen Martina.«
»M… M… M… Martina?« Jetzt schien Hummel endgültig unter die Stotterer zu gehen. Moment. Die war doch noch ein Kind. Ein unschuldiges … »Ja, sagt mir denn keiner mehr was in meinem Hause!« Das »meinem« betonte er schon wieder.
»Wenn du öfter in ›deinem‹ Hause verkehren würdest, dann hättest du vielleicht schon bemerkt, dass Didi Martinas neuer Freund ist!« Jetzt wurde Elkes Ton vorwurfsvoll.
Was sollte man davon halten? Zu Hubertus’ Zeiten hatte man sich noch bei den Eltern des jungen Fräuleins vorgestellt und sich nicht einfach im Hause der Schwiegereltern in spe eingenistet und – ohne zu fragen – im Bademantel des Hausherrn die Zeitung des Hausherrn auf dessen Kloschüssel gelesen …
Abgesehen davon, würde er Didi anzeigen, Freund hin oder her. Schamlos hatte er sich an seine Tochter herangemacht, die Freundschaft zu ihm ausgenutzt. Das war bestimmt Verführung Minderjähriger – oder wenigstens irgendein anderer Straftatbestand!
Zwanzig Minuten später hatte sich Hubertus etwas beruhigt. Aber wirklich nur etwas. Dies lag zum einen daran, dass Didi und Martina das Haus verlassen hatten, weil sie bei irgendeinem Bekannten von Martina zum Frühstück verabredet waren. Vor allem aber, weil Hubertus gegenüber Elke nun ein schlechtes Gewissen hatte. Seine Eifersucht …
Sollte er es doch mal mit Yoga versuchen, wie ihm Elke unaufhörlich riet? Nein, das war doch eher etwas für Frauen. Vielleicht würde er aber mal verstohlen in eines dieser Ratgeberbücher schauen, die auf ihrem Nachttisch lagen. Fakt war: Irgendwie musste er sich besser in den Griff bekommen.
Didi hingegen hatte er völlig zu Recht beschimpft. Er nahm auch seinen Namen nicht mehr in den Mund, nannte ihn nur noch »den Hausmeister«. »Der ist genau doppelt so alt wie Martina!«, erläuterte er gegenüber Elke nochmals seine Empörung.
Allerdings machte ihn Elke darauf aufmerksam, dass seine Tochter nicht mehr sechzehn sei, sondern er ihr vor wenigen Monaten zu ihrer Volljährigkeit gratuliert habe. Und dass er sich außerdem freuen solle, dass sie einen Freund habe, den ja offenbar auch Hubertus zumindest jahrelang sympathisch gefunden habe.
»Ja!«, echauffierte sich Hubertus nochmals, während er bereits den dritten doppelten Espresso innerhalb einer halben Stunde hinunterkippte. »Vergangenheitsform! Ich fand ihn sympathisch. Es ist ja wohl auch etwas anderes, ob man sich ab und zu mit jemandem in der Kneipe trifft oder ob der Hausmeister einfach kommt und die eigene Tochter raubt! Ich werde mich bei seinem Vorgesetzten beschweren! Wer ist das eigentlich? Der Dekan wahrscheinlich! Genau: Ich werde zum Dekan gehen und sagen, er soll dafür sorgen, dass der Hausmeister seine Finger von meiner Tochter lässt – und von meinem Bademantel!«
Elke
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