Morgengrauen
Tag, an dem Sie nicht in einer Eintragung erwähnt sind: Frank ist ein Schwein, Frank betrügt mich, Frank verachtet mich, und, und, und.«
»Können Sie uns das erklären?«, hakte Hubertus nach.
»Das war doch nur in einer bestimmten Phase. Verena und ich hatten eine Weile nicht das beste Verhältnis. Sie tat sich schwer mit unserer Trennung. Deshalb die Einträge.«
»Warum hat Ihre Geliebte … äh« – Hubertus räusperte sich –, »… hat Ihre Lebensgefährtin denn das Tagebuch an sich genommen?«
»Sie fürchtete, dass die Polizei mich grundlos verdächtigen könnte. Denn dass die nach dem Mord nochmals das Büro durchsuchen würde, war ja klar. Und das Tagebuch war fast so platziert, dass die Polizei darüber gestolpert wäre. Aber ich habe wirklich nichts zu verbergen.«
»Dürfen wir das Tagebuch mitnehmen?«, fragte Klaus forsch.
»Nein, das geht nicht.«
»Dann wollen wir wenigstens ein paar Seiten kopieren«, verhandelte Klaus.
Frank zögerte: »Unter der Bedingung, dass Sie nichts davon der Polizei zeigen und sie nicht mit dieser Dissertationsgeschichte behelligen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Schon grundlose Verdächtigungen könnten mich meine Karriere kosten.«
Klaus spitzte genüsslich die Lippen. »Abgemacht!«
Im Türrahmen stand Irene mit einer vollen Kanne Kaffee. Sie war überaus blass: »Frank. Mir ist übel.«
20. ROTE SPUREN
»Also?«, fragte Klaus seinen Beifahrer, während er den Ortseingang von Zollhaus passierte. Das beschauliche Dorf zwischen Villingen und Schwenningen erinnerte nicht nur mit seinem Namen an die einstmalige Grenze. Dort standen immer noch Schlagbaum und Grenzsteine, die früher einmal das Königreich Württemberg vom Großherzogtum Baden getrennt hatten.
Den Umweg hatten sie nehmen müssen, um Edelbert Burgbacher abzuholen. Der wollte dort nämlich ein neues Open-Air-Theaterprojekt auf die Beine stellen.Schließlich hatte der Zweihundert-Einwohner-Flecken seit Neuestem auch wieder einen eigenen Bahnanschluss. Nach jahrelanger Planung war der »Ringzug« fertig geworden, der die gleichermaßen strukturschwachen Landkreise Schwarzwald-Baar, Rottweil und Tuttlingen miteinander verband. Allerdings blickten beim Fahrplan nur ausgekochte Profieisenbahner durch.
Hubertus Hummel war immer noch schlecht auf Frank zu sprechen: »Ich traue dem nicht. Das ist ein falscher Fuffziger. Und natürlich hat er seine Dissertation nicht selbst geschrieben.«
»Aber er scheidet als Täter aus«, entgegnete Riesle.
»Das glaubst du«, meinte Hummel und rückte seinen bandagierten Fuß mit beiden Händen ein paar Zentimeter weiter nach rechts. Er hatte sich auf den ehrgeizigen Wissenschaftler eingeschossen.
»Mir kommt diese Irene komischer vor«, meinte Riesle. »Klar ist man durch den Wind, wenn man schwanger ist.« Er blickte Hubertus amüsiert an. »Das wirst du bei Martina ja auch bald noch merken. Aber ich habe den Eindruck, dass die mehr weiß. Wir müssen da dranbleiben. Vielleicht hat Irene aus Angst, dass Verena wegen der Dissertation auspackt und den Ernährer ihres Kindes ruiniert, den Mord in Auftrag gegeben. Möglicherweise sogar bei diesem Heimburger.«
»Hast du eigentlich mit Bademeister Willy gesprochen, ob Heimburger noch mal im Kneippbad aufgetaucht ist?«, fragte Hubertus, während Riesle den Kadett auf den Parkplatz eines Restaurants lenkte. Edelbert diskutierte dort, theatralisch gestikulierend, mit dem Geschäftsführer seines Theaters und einem Landwirt, um diesen die Dimension des Projekts zu erklären.
Hubertus stieg aus und humpelte auf die Gruppe zu, während Riesle den Bademeister anrief.
Fünf Minuten später saßen sie zu dritt im Auto: »Banausen«, schimpfte Burgbacher lautstark. »Elende Banausen. Sollen sie doch den Musikantenstadl nach Zollhaus kommen lassen – aber kein seriöses Theater!«
Doch weder Hubertus noch Klaus hatten derzeit ein Ohr für seine Sorgen.
»Willy sagt, Heimburger ist immer noch nicht wieder aufgetaucht«, berichtete Riesle.
»Willy?«, unterbrach Burgbacher theatralisch. »Der kann sich seine Rolle bei mir auch abschminken. Ich höre auf – ich bin doch nicht der Trottel der Schwarzwälder Kulturszene.«
Riesle redete derweil ungerührt weiter. »Interessant ist aber Folgendes: Als heute Morgen die Frühschwimmer kamen, stand die Polizei vor dem Kneippbad und bat jeden um eine Speichelprobe. ›Auf freiwilliger Basis‹, hieß es. Aber ist doch klar: Der, der sich weigert, macht sich erst recht
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