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Morgengrauen

Morgengrauen

Titel: Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Ummenhofer , Alexander Rieckhoff
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lasen die Zuschriften gemeinsam. Der an Verena Böck gerichtete Brief auf blutrotem Papier lag in der Mitte des runden Tisches, doch bislang wies keine der Antworten eindeutige Parallelen auf.
    Hubertus ärgerte sich: »Von der Schrift her erkenne ich keine Übereinstimmung. Und inhaltlich schleimen die alle mehr oder weniger das Gleiche. Von wegen ›Dein bezaubernder Brief‹ und ›man merkt, dass Du Sternzeichen Waage bist: Deine Zeilen vermitteln einen ausgeglichenen Charakter‹. Außerdem sind die Typen fast alle über fünfzig.«
    Elke widersprach: »Aber Hubertus, ich finde die meisten Briefe sehr aufrichtig. Diese Männer stehen zu ihren Gefühlen – und dazu gehört sehr viel Mut.«
    »Alles Waschlappen«, knurrte Hubertus. Er hatte seine Krücken an den Kühlschrank gelehnt und schlechte Laune. Seine Verletzung tat ihm weh – trotz der Schmerztabletten, von denen er wenige Stunden zuvor gleich eine Großpackung erworben hatte. Gekauft hatte er sie ausgerechnet in der Apotheke von Stadtrat Schulz. Der Schmerz war in dem Moment, in dem er in der Fußgängerzone an dessen Geschäft vorbeigekommen war, besonders akut gewesen. Normalerweise setzte Hummel nie einen Fuß in den Laden dieses Typen, dessen eitles Leben vorwiegend um seine Wirkung auf das weibliche Geschlecht zu kreisen schien. Und auf Elke hatte er es schon seit Jahren abgesehen. Zum Glück war Schulz nicht da gewesen, wie Hubertus durch einen Schaufensterblick erspäht hatte. Ein ältliches Fräulein hatte ihn stattdessen bedient. Auf die Tabletten aus der Apotheke Schulz sprang Hummel jedenfalls wohl nicht an. Eigentlich kein Wunder! Er würde morgen eine andere Apotheke aufsuchen und sich ausführlich beraten lassen, beschloss Hubertus …
    »Das hier ist auch nett«, meinte Elke. »›Wie eine Blume am Winterbeginn – und so wie ein Feuer im eisigen Wind – wie eine Puppe, die keiner mehr mag – so fühl ich mich an manchem Tag …‹ Ein selbst geschriebenes Gedicht, süß.«
    Hubertus überlegte. Dann fiel der Groschen: »Selbst geschrieben? Das ist irgendein Schlagertext. Kann ja wohl nicht wahr sein!«
    Klaus stimmte zu: »Das ist Ein bisschen Frieden von Nicole. Damit haben wir immerhin den Schlager-Grand-Prix gewonnen. 1982, wenn ich mich nicht irre.«
    Er grinste. »Und relativ viele haben Bilder mitgeschickt. Klasse – drei Typen kenne ich bisher vom Sehen. Und einen, diesen Pit, mit dem habe ich mal eine Geschichte gemacht: Der antwortet seit zwanzig Jahren auf fast jede Kontaktanzeige – aber die richtige Frau hat er immer noch nicht gefunden …«
    »Von fast allen stehen Telefonnummern oder Adressen da«, überlegte Hubertus. »Sollen wir die denn alle kontaktieren?«
    »Die Zeit haben wir gar nicht«, widersprach Klaus. »Und solange sich kein eindeutiger Verdachtsmoment ergibt …«
    Nun meldete sich Martina zu Wort, der diese Aktion ausgesprochenen Spaß zu machen schien, wie man an ihrer Stupsnase erkennen konnte: »He – hier: blutrotes Briefpapier!«, rief sie.
    Hubertus riss ihr den Brief aus der Hand. »Bla bla bla«, las er quer. »Sei meine Blume – und ich werde Dich hegen und pflegen, Dich auf Rosen betten.« Er blickte Klaus an: »Das könnte er sein. Das könnte passen.«
    Klaus nahm sich den Brief nun ebenfalls vor: »Die Farbe des Stiftes ist eine andere als bei Verena, aber das hat nichts zu bedeuten. Wer benutzt denn sonst schon blutrotes Briefpapier? Und das mit der Schrift ist schwer zu beurteilen, könnte aber auch hinkommen.«
    Hubertus’ Blick richtete sich auf das Ende des Briefes: »Die Telefonnummer: 0761 – das ist doch Freiburg!«
    »Elke, ruf diesen Menschen doch gleich mal an, und verabrede dich möglichst bald mit ihm«, sagte Klaus. »Huby und ich passen dann schon auf dich auf.«
    »Wenn wir sehen, dass er Kratzspuren am Körper hat oder sich sonst auffällig benimmt, dann ist das unser Mann«, meinte Hubertus.
    »Und wenn er dir besser gefällt als Huby, kannst du ja zu ihm ziehen«, meinte Klaus – und kassierte einen Schlag mit der Krücke. Nachdem Elke einige Monate nicht mehr bei Hubertus gewohnt hatte, würde dieser über derartige Scherze noch lange nicht lachen können.

21. ZELTMUSIK
    Die Hitze brannte immer noch unbarmherzig auf das Autodach, obwohl sich der Kadett nun schon auf einer Meereshöhe von fast neunhundert Metern befand und es beinahe achtzehn Uhr war. Im Wagen saßen Klaus mit seiner Freundin Kerstin, Hubertus und seine Gattin Elke, die sich bezaubernd

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