Morgengrauen
fehlte laut Polizei ebenfalls ein Anrufbeantworter!«
Auch Hubertus kniete nun nieder und tastete mit dem Finger in der breiten Öffnung herum. »Das deutet auf jeden Fall darauf hin, dass die beiden Morde etwas miteinander zu tun haben.«
»Und unser Brief …«, wollte Klaus gerade ansetzen, als durch die Wohnungstür Stimmen drangen. Eine davon war Hummel und Riesle wohlbekannt: die genervten Stimmbänder von Hauptkommissar Müller. Die alten Treppenstufen ächzten bereits unter dem Körpergewicht der Kriminalpolizisten.
»Ab durchs Fenster!«, flüsterte Klaus, der den verdatterten Hummel am Arm hinter sich her zog. Schon drehte sich der Schlüssel im Türschloss. Jetzt aber schnell! Für Kletterpartien war keine Zeit mehr.
Klaus sprang als Erster vom Fensterbrett in den verwilderten Garten. Zum Glück machte die Landung im weichen Gras kaum ein Geräusch.
Hubertus kam gleich hinterher. Er hörte noch Müllers Worte: »Nehmen Sie den Telefonanschluss noch mal genau in Augenschein …«
Dann spürte Hummel einen stechenden Schmerz im Fußgelenk. Ein heftiger Schrei wollte sich den Weg durch seine Kehle bahnen. Aber die Angst, entdeckt zu werden, ließ ihn die Luft anhalten und die Zähne zusammenbeißen.
Doch Klaus erkannte an den Grimassen seines Freundes, dass etwas nicht stimmte. Er legte seinen Arm um Hubertus’ Nacken. So schlichen sie eng umschlungen zurück durch den langen, schier endlos gewordenen Hausgang, hinaus auf die Kanzleigasse, wo nicht nur der verwaiste Polizeiwagen, sondern auch die malerische Gasse unter der heißen Sonne einen sanften Mittagsschlaf zu halten schien …
19. KAFFE UND TAGEBUCH
»Soll ich dir ein Autogramm draufsetzen?«, versuchte Klaus seinen Freund aufzumuntern.
Aber Hubertus schaute nur gequält. Die Schweißtropfen liefen ihm über die breite Nasenspitze. Mit einer Bandage und Krücken im Treppenhaus der Schwenninger Berufsakademie in der Bürkstraße herumzuhumpeln war gar nicht nach seinem Geschmack. An die Hilfsmittel hatte er sich auch zwei Tage nach dem Unfall noch nicht gewöhnt. Und dann Klaus’ seltsamer Humor …
»Du immer mit deinen blöden Einfällen«, zischte Hummel. »Autorennen und Kletterpartien. Das nächste Mal brech ich mir wahrscheinlich das Genick bei unseren Recherchen.«
»Sei froh, dass es nur ein Bänderriss und kein gebrochener Fuß ist. Außerdem hast du noch ein paar Tage Urlaub und musst dich vorläufig nicht zum Gespött deiner Schüler machen. Und hat sich die Aktion etwa nicht gelohnt? Wir sind ein ganzes Stück weitergekommen, und Müller hat uns auch nicht erwischt.« Riesle ließ sich seine gute Laune nicht verderben. Er hatte beschlossen, zugunsten des Mordfalls einige freie Tage abzubauen – immerhin blieben ihm davon noch dreiundachtzig. Er stieg ein paar Stufen hinab, um Hubertus unter die Arme zu greifen.
Sie befanden sich im ehemaligen Gebäude der Energieversorgung Schwaben, direkt gegenüber der früheren EMES-Uhrenfabrik.
»Herein«, ertönte eine Frauenstimme aus dem Zimmer von »Prof. Dr. Frank Jauch«, wie auf dem Türschild zu lesen war.
Der junge Professor saß am Schreibtisch. Irene, seine Geliebte, stand daneben. Siebter Monat, schätzte Hummel und musste an Martina denken.
»Sie wünschen?«, fragte der Professor und klappte den Laptop zu. Sein Arbeitsplatz sah dem der beiden ermordeten Frauen sehr ähnlich. Auch hier herrschte Sterilität vor.
»Das ist mein Kollege Hummel, mein Name ist Klaus Riesle. Wir sind Privatdetektive und ermitteln im Mordfall Ihrer ehemaligen Lebensgefährtin Verena Böck.«
Gespannt verfolgten Klaus und Hubertus die Reaktionen der beiden. Er, gut aussehend, mit mindestens einer halben Tube Gel im Haar, offenem karierten Hemd und schickem Sakko, wirkte unbeeindruckt. Doch Irenes Blick hatte etwas Erschrockenes.
»Dann wissen Sie ja, wo die Tür ist«, deutete Verenas Exfreund mit der Hand in Richtung Gang.
»Nicht so voreilig, mein Lieber«, verschärfte Klaus den Ton. »Aus gut unterrichteten Kreisen« – Riesle gebrauchte diese Formulierung täglich mindestens dreimal – »haben wir erfahren, dass Ihnen vorgeworfen wird, sich Ihre Dissertation erschlichen zu haben.«
Frank verschränkte die Arme und lehnte sich scheinbar entspannt zurück. »Also erstens ist das erstunken und erlogen, und zweitens: Ich wüsste nicht, was Sie das angeht.«
Jetzt schaltete sich Hubertus ein: »Eine ganze Menge, Herr Jauch. Vielleicht wusste Verena Böck davon. Wollten Sie sie
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