Morgenlied - Roman
lass uns mal feiern gehen! Ich kann ja mein wöchentliches Glas Wein trinken!«
Er schlang die Arme um sie. »Wir haben es geschafft.«
»Ja, das haben wir.«
Als sie zurückkamen, drückte Cybil wieder seine Hand. »Übernimm du den Bericht«, schlug sie vor.
»Dein Laden sah sehr elegant aus und du ebenfalls«, sagte er. Layla stieß zitternd die Luft aus. »Fox allerdings sah eigentlich so aus wie immer. Du solltest also deine Möglichkeiten überdenken und ihn vielleicht abstoßen.«
Er blickte zum Himmel. »Es wird gleich regnen.«
»Einen haben wir noch«, beharrte Cybil. »Lass uns den Heidenstein anschauen.«
Vermutlich wollte sie sich oder sie beide sehen, dachte er. »Wenn wir das machen, ist der Tag gelaufen.«
»Ja. Ich habe mir sowieso etwas überlegt. Bereit?«
Es kam zu schnell, das wusste er in dem Augenblick, in dem er sich öffnete. Dieses Mal raste die Zeit, und ehe er sich’s versah, war er mitten im Grauen. Es regnete Blut und Feuer, und der Stein kochte.
Er sah Cybil, das Gesicht wächsern und bleich. Ihre Hand blutete, und seine ebenfalls. Seine Lungen schmerzten bei jedem Atemzug. Um ihn herum ertönten Schreie, er wappnete sich.
Wofür? Was wusste er?
Er kam von überallher gleichzeitig. Aus der Dunkelheit, aus dem Rauch, aus dem Boden, aus der Luft. Er wollte nach seiner Pistole greifen, aber sie war nicht da. Dann schlug der Dämon Cybil zu Boden, wo sie bleich und still liegen blieb.
Er war allein mit seiner Angst und seiner Wut. Der Dämon umkreiste ihn mit gierigem Triumphgeheul und zerfetzte ihm die Brust mit brennenden Schnitten. Der Schmerz ließ ihn fast ohnmächtig werden.
Taumelnd versuchte er Cybil wegzuzerren. Sie öffnete die Augen und blickte ihn an. »Tu es jetzt. Du musst es jetzt tun. Du hast keine andere Wahl.«
Er sprang zum Heidenstein, stieß schmerzhaft dagegen. Mit der bloßen Hand ergriff er den brennenden Blutstein, der darauf lag. Als sich seine Finger darum schlossen, versank er in einer absoluten Schwärze.
Nichts war mehr, nichts außer Schmerz. Dann lag er auf dem Heidenstein, und das Feuer verzehrte ihn.
Schrittweise kämpfte er sich zurück. Der Kopf zersprang ihm fast, er würgte an seiner Übelkeit. Er wischte sich das Blut von der Nase und blickte in Cybils glasige Augen. »Das war wohl nichts mit langsam und leicht.«
12
Bereitwillig ließ sich Cybil dazu überreden, in den nächsten Tagen nur zu recherchieren. Sie und Gage würden noch einmal in die Zukunft sehen müssen, aber sie konnte nicht behaupten, dass sie sich auf die Erfahrung freute.
Hatte sie Gages Tod gesehen? Hatte sie ihren eigenen gefühlt? Diese Frage ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. War es der Tod gewesen oder ein anderes Ende, als alles um sie herum schwarz wurde und sie blind machte? Waren die Schreie, die sie gehört hatte, ihre eigenen gewesen?
Sie hatte sich vorher schon am Heidenstein gesehen, und jedes Mal ereilte sie dort der Tod. Für sich selbst sah sie kein Leben, nicht wie bei Quinn und Layla. Nur Blut und Dunkelheit.
Sie musste noch einmal zurückgehen, das wusste sie. In der Vision, aber auch in der Realität. Nicht nur, um Antworten zu suchen, sondern auch, um sie zu akzeptieren.
Aber sie musste stark sein, wenn sie dorthin gehen wollte. Heute nicht. Heute war Feiertag, Memorial Day Parade, und von der Treppe zu Fox’ Kanzlei hatte man den besten Blick.
»Ich liebe Paraden«, sagte Quinn neben ihr.
»Ja, es ist schwer, ihnen zu widerstehen.«
»Oh, guck mal, die Kinder von der Little League.« Quinn hüpfte aufgeregt auf und ab, als ein Pick-up langsam vorbeifuhr, auf dessen Ladefläche Kinder saßen. »Die Blazer hat das Bowl-a-Rama gesponsert. Cals Dad ist ja auch der Trainer.«
»Das ist echt deine Welt, oder? Du steckst schon mittendrin.«
»Wer hätte das gedacht?« Lachend legte Quinn Cybil den Arm um die Taille. »Ich überlege sogar schon, ob ich einem Komitee beitrete, und demnächst habe ich eine Lesung in der Buchhandlung. Cals Mom hat mir angeboten, mir Kuchenbacken beizubringen, aber das habe ich abgelehnt. Es gibt Grenzen.«
»Du liebst diese Stadt«, stellte Cybil fest. »Nicht nur Cal, sondern die ganze Stadt.«
»Ja, das stimmt. Es hat mein Leben verändert, dass ich dieses Buch geschrieben habe. Es hat mich hierhergebracht, mich zu Cal gebracht. Und die Menschen hier, die Gemeinschaft, die Traditionen, der Stolz - all das hat mich fasziniert. Es ist genau das, was ich will. Aber ich weiß schon, nicht dein Stil.«
»Ich
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