Morgenlied - Roman
menschliche Auge nicht sichtbar ist. Andere empfehlen eine gute Spiegelreflexkamera. Aber...«
»Der Dämon ist nicht hell, sondern dunkel«, fuhr Quinn fort. »Deshalb wäre wahrscheinlich eine gute Infrarotlinse am besten. Ich hätte mein Aufnahmegerät aus der Tasche holen sollen«, fügte sie hinzu und scrollte langsam durch die Fotos. »Aber es ging alles so schnell, und ich habe nur an Bilder gedacht, bis...«
»Wir haben also alle gehört, was er gesagt hat«, stellte Cybil fest.
»Ja.« Quinn legte ihr die Hand auf den Arm. »Ich möchte gerne wissen, ob man die Stimme aufnehmen kann.«
»Findest du es nicht interessanter, dass wir anscheinend nicht die Einzigen waren, die ihn gesehen haben?«
Quinn warf Gage einen Blick zu. »Du hast recht. Bedeutet das, dass der Dämon so stark ist, dass er bis an den Rand der Realität vordringen kann, oder sind die, die ihn wahrgenommen haben, einfach sensibler?«
»Ich glaube, beides spielt eine Rolle«, sagte Fox. »Genau wie Layla kam es auch mir nicht völlig real vor, aber das bedeutet natürlich auch, dass es nicht völlig irreal war. Ich habe zwar nicht alle Leute gesehen, die auf den Dämon reagiert haben, aber die ich gesehen habe, leben schon seit Generationen in Hollow.«
»Genau«, bestätigte Cal. »Das ist mir auch aufgefallen.«
»Wenn wir tatsächlich Einwohner evakuieren wollen, dann sollten wir bei ihnen anfangen«, sagte Fox.
»Mein Dad hat bereits mit einigen gesprochen und vorgefühlt.« Cal nickte. »Ich glaube schon, dass es funktioniert.« Er blickte auf seine Armbanduhr. »Wir müssen langsam zu meinen Eltern aufbrechen. Große Gartenparty zum Feiertag, ihr wisst doch. Wenn jemandem nicht danach zumute ist, erkläre ich es ihm schon.«
»Nein, wir sollten alle gehen.« Cybil, die auf den Monitor geschaut hatte, richtete sich auf. »Wir sollten alle feiern, Bier trinken und Burger und Kartoffelsalat essen. Wir sollten uns so normal wie möglich benehmen, vor allem nach so einem Vorfall, um ihm zu zeigen, wozu wir fähig sind.«
»Der Meinung bin ich auch. Ich muss nur noch rasch nach Hause, um den Vorfall zu dokumentieren. Dann fahren Cal und ich zum Fest«, sagte Quinn.
»Wir schließen ab und nehmen euch mit.« Fox blickte Gage an. »In Ordnung?«
»Ihr könnt doch schon mal vorfahren«, schlug Cybil vor. »Wir schließen ab.«
»Ja, das ist mir auch recht.«
Gage wartete, bis Cybil und er allein waren. »Was musst du mir denn sagen, was die anderen nicht hören sollen?«
»Deine Menschenkenntnis nützt dir bestimmt eine Menge beim Kartenspielen. Es gibt zwei Dinge. Ich weiß, dass es beim letzten Mal nicht geklappt hat, als ihr versucht habt, den Dämon am Heidenstein zu bekämpfen. Aber...«
»Aber wir müssen diese Angelegenheit am Heidenstein zu Ende bringen«, unterbrach er sie. »Das weiß ich. Daran führt kein Weg vorbei. Cal und Fox wissen es auch. Für sie ist es noch schwerer, weil es ihre Stadt ist.«
»Deine auch, Gage«, sagte Cybil. »Du kommst von hier, deshalb ist es auch deine Stadt.«
»Und was ist das Zweite?«
»Ich muss dich um einen Gefallen bitten.«
Fragend zog er eine Augenbraue hoch. »Um was für einen Gefallen?«
Sie lächelte leise. »Ich wusste, dass du nicht einfach sagen würdest, schieß los. Wenn nicht alles so läuft, wie wir hoffen, und wenn du sicher weißt, dass du gegen ihn nichts ausrichten kannst... und wenn ich nicht selbst dazu in der Lage bin, was mir am liebsten wäre...«
»Du willst mich bitten, dass ich dich töte.«
»Ja. Ich würde lieber sterben, Gage, als das zu erleben, was der Dämon mir gerade versprochen hat. Und ich bitte dich, nicht zuzulassen, dass er mich mit sich nimmt.«
»Das werde ich nicht zulassen. Mehr verspreche ich dir nicht, Cybil«, fügte er hinzu. »Ich werde nicht zulassen, dass er dich mitnimmt.«
Sie blickte in seine grünen Augen, bis sie sah, was sie sehen wollte. »Okay. Dann lass uns jetzt Kartoffelsalat essen gehen.«
Weil er ein bisschen Ablenkung brauchte, fuhr Gage zu einem Pokerspiel außerhalb von D. C. Die Anforderungen waren zwar nicht so hoch, wie er es gerne gehabt
hätte, aber das Spiel erfüllte seinen Zweck, ebenso wie die zeitweilige Entfernung von Hawkins Hollow und Cybil. Dem Ort konnte er letztlich nicht entfliehen, dachte er, aber er wollte sich auf keinen Fall zu sehr auf die Frau einlassen.
Wenn eine Frau einen bat, ihr das Leben zu nehmen, um ihr Schlimmeres zu ersparen, dann war es Zeit, sich ein bisschen
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