Morgenlied - Roman
Zwischenreich.«
Er ergriff ihre Hand, und sie konnte in seinen Augen lesen. »Oh. Aber...«
»Besser?«, fragte er. »Was ist denn entspannender als Sex? Was gibt mehr positive Energie, wenn man es richtig macht? Und, Süße, wir haben es richtig gemacht. Aber wir müssen es auch versuchen wollen.«
Er hatte recht. Wenn sie sich jetzt miteinander verbanden, dann würden sie viel mehr sehen als durch die Blockaden der letzten Male.
»Gut.« Sie drehte sich so, dass sie sich im Bett gegenüberlagen, Gesicht zu Gesicht, Herz zu Herz. »Wir machen es genauso, wie wir es vorhatten. Wir konzentrieren uns auf dich, Cal, Fox und dann auf den Stein.«
Ihre Augen. Er konnte sich in ihnen sehen. Er ließ sich hineinsinken, und auf einmal stand er auf der Lichtung am Heidenstein. Allein.
Die Luft roch nach ihr - geheimnisvoll, verführerisch. Das Sonnenlicht schimmerte golden auf dem dichten,
grünen Laub der Bäume. Cal trat neben ihn. Er hielt eine Axt in den Händen. Neben ihm stand Fox mit einer glänzenden Sichel.
Einen Moment lang standen sie so und blickten auf den Blutstein, der auf dem Heidenstein lag.
Dann brach die Hölle los.
Dunkelheit, Wind, blutiger Regen griffen an wie wilde Tiere. Feuerwände rasten auf sie zu und umhüllten die Steine wie eine lodernde Haut. In diesem Moment wusste er, dass die Ereignisse der letzten einundzwanzig Jahre, die sie für Krieg gehalten hatten, in Wirklichkeit nur kleine Scharmützel gewesen waren.
Das hier war die wirkliche Schlacht.
Blutig und voller Schweiß kämpften die Frauen mit ihnen. Um sie herum waren Flammen, beißender Rauch, Klauen, die aus dem Nichts kamen und an ihrer Haut rissen. Sein Blut tropfte zu Boden und wurde von der Erde aufgesogen.
Mitternacht. Er hörte, wie er es dachte. Fast Mitternacht. Er griff nach Cybils Hand. Sie hatte Tränen in den Augen. Nacheinander nahmen sie sich alle an den Händen, und dann waren sechs eine Einheit. Die Erde bebte, die Feuerwand raste näher. Die schwarze Masse nahm Gestalt an. Wieder blickte er in Cybils Augen, was er dort sah, gab ihm die Kraft, die Kette zu durchbrechen.
Er griff ins Feuer und zog den brennenden Stein mit der bloßen Hand heraus. Dann schloss er die Faust darum und sprang alleine in die Finsternis.
In den Bauch der Bestie.
»Stopp, stopp, stopp.« Cybil kniete neben ihm auf dem Bett und trommelte ihm mit den Fäusten auf die Brust. »Komm zurück, komm zurück. Oh, Gage, komm zurück.«
Konnte er aus dieser Kälte, diesen Flammen, diesen Schmerzen, diesem Schrecken zurückkommen? Als er die Augen öffnete, überrollte ihn alles erneut.
»Deine Nase blutet«, stieß er hervor.
Sie gab einen Laut von sich, ein Mittelding zwischen Fluchen und Schluchzen, und wankte ins Badezimmer. Als sie wiederkam, hatte sie einen Waschlappen für ihn dabei und presste sich einen auf ihr kreidebleiches Gesicht. »Wo... wo ist der Punkt?« Er tastete nach dem Akupressur-Punkt auf ihrer Hand und ihrem Nacken.
»Das spielt keine Rolle.«
»Doch, ich glaube, ich muss mich übergeben.« Er lag einen Augenblick lang still da und schloss die Augen.
Zitternd schmiegte sie sich an ihn. »Ich dachte... ich dachte, du atmest nicht mehr. Was hast du gesehen?«
»Dass es schlimmer wird als alles, was wir vorher erlebt haben. Du hast es doch auch gesehen. Du hast direkt neben mir gestanden.«
»Ich habe dich sterben sehen. Hast du das auch gesehen?«
Überrascht setzte er sich auf. »Nein, ich habe nur den Stein genommen. Das habe ich schon einmal gesehen. Das Blut, das Feuer, den Stein. Ich ergriff ihn und ging direkt in den Bastard hinein. Dann...« Er konnte nicht beschreiben, was er gesehen und empfunden hatte. Er
wollte es eigentlich auch nicht. »Mehr nicht. Dann hast du mich geschlagen und mich zurückgeholt.«
»Ich habe dich sterben sehen«, wiederholte sie. »Du bist in ihn hineingegangen, und dann warst du weg. Alles war in Aufruhr. Der Dämon nahm eine Gestalt nach der anderen an, wand sich und schrie und brannte. Ich weiß nicht, wie lange. Dann kam auf einmal blendend helles Licht. Und Stille. Der Dämon war weg, und du lagst blutüberströmt am Boden. Tot.«
»Was soll das heißen, der Dämon war weg?«
»Hast du mir zugehört? Du warst tot. Nicht bewusstlos oder scheintot. Nein, du warst tot, als wir zu dir kamen.«
»Wir? Ihr alle?«
»Ja, ja, ja.« Sie schlug die Hände vors Gesicht.
»Hör auf.« Er zog ihr die Hände herunter. »Haben wir ihn getötet?«
Ihr standen die Tränen in den
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