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Morgenroetes Krieger

Morgenroetes Krieger

Titel: Morgenroetes Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Anthony Foster
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und erschreckenden Fragen und Problemen, die immer mit dem kleinen Wörtchen „ warum …“ begi n nen.
     
    Apogryphen des Roderigo
     
    Du magst nun alles oder nichts erwarten – ganz wie es dir beliebt; beides ist in gleicher Weise falsch. Es gibt nur eine einzige Wahrheit: daß etwas mit dir geschehen wird. Ereignisse sind unvergänglich.
     
    ’1 Knun i Slam (die Lehre von der Kraft des Schicksals)
     
    Einige der kurzen und dunklen Wintertage auf Morge n röte verstrichen, in denen Han versuchte, sich an seine neue Realität zu gewöhnen, eine Aufgabe, die größte n teils durch den Umstand erschwert wurde, daß er nicht genau wußte, welche Realität nun die seine war. Er b e mühte sich, seinen gegenwärtigen Zustand im Licht ve r gangener Erfahrungen zu prüfen, und stellte fest, daß dies völlig unmöglich war. Die Vergangenheit paßte nicht zur Gegenwart, ebensowenig zu irgendeiner Zukunft, die er sich eventuell hätte vorstellen können. Zum Teil lag dies an der stillen und fast unauffälligen Präsenz des Mä d chens Usteyin. Sie vor allem erinnerte ihn ständig daran, wie weit sein Abenteuer ihn von ursprünglichen Positi o nen abgebracht hatte. Was als eine relativ einfache Reise begann, war inzwischen ins Uferlose und Mehrschichtige gewachsen, hatte Fragen der Moral, Emotion, Loyalität und Persönlichkeitsstruktur aufgeworfen, die alles Bish e rige mal in diesem, mal in jenem Licht erscheinen ließen. Solange sich die Ereignisse in einfacher Folge aneina n dergereiht hatten – so vor allem, als er und Liszendir sich immer näherkamen und ein stets tiefer werdendes Ve r stehen füreinander erlangten –, hatte er noch sein inneres Gleichgewicht aufrechterhalten können. Nun aber kehrte alles zurück. Man hatte sein ganzes Konzept in Unor d nung gebracht – oder war es vielleicht von vornherein falsch angelegt? Er hatte die alten Denkformen nicht ve r gessen, aber es gelang ihm nicht, sie in eine klare log i sche Reihe zu bringen. Er hatte zudem den leisen Ve r dacht, daß dies sowieso ohne Bedeutung und Nutzen war. Somit brachte ihn dieses still duldende Menschenmä d chen zurück zu den Wurzeln und dem Wesen der Dinge – zurück zur Realität, zur Wirklichkeit. Aber es war eine Wirklichkeit ohne rechten Sinn.
    Was Usteyin anbetraf, so hatte sie sich ohne viel U m stände in ihrer neuen Umgebung eingerichtet und war in der Tat so lernwillig, friedfertig und geschickt, wie man das von ihr zuvor behauptet hatte. Han war von ihr in verschiedener Hinsicht fasziniert; obwohl sie ein noch junges Mädchen war, dessen Reifungsprozeß fortdauerte, zeigte sie dennoch ein völlig selbstgenügsames Wesen. Sie hatte ein ausgeprägtes Selbstverständnis, das mit nichts zu vergleichen war, was er bisher kannte. Hätte er sie auf irgendeinem abgelegenen Asteroiden ausgesetzt, sie wäre auch weiterhin ihrer Eigenart treu geblieben; nach Verbrauch ihrer Vorräte hätte sie der tödlichen Le e re völlig ruhig ins Auge geschaut – so als wäre es nichts anderes als das Erwachen aus einem kurzen Schlummer. Er hatte sie während des Schlafs beobachtet. Sie schlief wie ein Tier – leicht und ohne heftige Bewegungen. Daß sie träumte, konnte er an den Veränderungen ihres G e sichtsausdrucks erkennen, die mit ihrem langsamen, aber stetigen Rhythmus eine völlig neue Erfahrung für ihn darstellten. Sie besaß eine Zurückhaltung und Selbstdi s ziplin, im Vergleich zu der Liszendir wie eine wilde Ba r barin anmutete. Sie antwortete Han direkt, ohne Küns t lichkeit oder manieriertes Getue, sprach dabei in kurzen, einfachen Sätzen, mit einer klaren, aber flüssigen Mä d chenstimme. Was auch immer sie glaubte zu sein, sie war sich ihrer absolut sicher. Vielleicht hielt sie sich für nicht mehr als ein Tier – ein Haustier, ein Zuchtprodukt. Er wußte es einfach nicht; sie war für ihn ein großes, une r gründliches Geheimnis. Han war Liszendir für jene Ei n sicht dankbar, daß gerade ein solches Verhalten auf Tie f gründigkeit und nicht – wie jenes überschwenglich-demonstrative Spektakel – auf vordergründige Obe r flächlichkeit schließen ließ. Stimmte dies, so war Usteyin ein tiefes, unerforschliches Meer – ein wahrer Ozean.
    Je mehr er von ihr mitbekam, um so überzeugter wu r de er von seiner ursprünglichen Einschätzung. Sie besaß eine verwirrende Schönheit und unterschied sich von Liszendir in einem Maße, wie das bei zwei lebenden Pe r sonen überhaupt nur möglich war – und dennoch hatte

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