Morgenroetes Krieger
Gefühle. Einerseits war er erleichtert, daß sie da war und es ihr offensichtlich gutging, andererseits machte ihn die Anwesenheit Usteyins sichtbar verlegen. Als sie eintrat, konnte er in ihren Augen lesen, daß ihre Beziehung z u einander eine andere Qualität bekommen hatte: kein Ze i chen von Eifersucht, eher ein Ausdruck der Kamera d schaftlichkeit und Verantwortung.
„Ich bin gekommen, weil wir uns von nun an viel fre i er bewegen und miteinander sprechen können. Ich habe einige interessante Neuigkeiten. Diese Tölpel scheinen uns inzwischen mehr zu vertrauen. Sie glauben, daß ich ihnen große Geheimnisse anvertraue und beibringe, in Wirklichkeit lernen sie aber nur die bescheidenen Anfä n gerübungen. Dennoch komme ich mir schuldig vor, da schon dieses geringe Wissen für ihre Gegner hier tödlich sein kann. Sollten sie es aber auf einem zivilisierten Ler-Planeten versuchen, wäre es die reinste Kinderei. Einige von ihnen – das muß man zugeben – sind ausgesproch e ne Naturtalente, aber es sind nur ganz wenige. Was Hatha und seine Begabung anbelangt, so scheint sie bei ihm nicht klassenspezifisch, sondern individueller Natur zu sein, so daß ich mein Urteil über ihn ein wenig rev i dieren mußte. Dennoch lehne ich noch immer alles ab, wofür er steht und was er vertritt.
Dein Verhalten in der Klesh -Ausstellung hat seinen Teil dazu beigetragen. Hatha war ziemlich beeindruckt! Er respektiert dich in der Tat! Deshalb bin ich hier. Ich kam, um dir zu sagen, daß du den Weg, den du gewählt hast, weitergehen sollst – und natürlich, um mir das Mädchen anzuschauen.“
Han rief Usteyin. Sie kam zögernd herbei, stand ruhig und gehorsam da, während Liszendir sie genau musterte. Jetzt, wo er sie beide zusammen sah, bestätigte sich sein ursprünglicher Eindruck, daß Liszendir ihrer Art nach ei n förmig-monoton war, Usteyin dagegen farbig und schi l lernd. Aber auch andere Unterschiede wurden offensich t lich: Usteyin war etwas kleiner als das Ler-Mädchen und bedeutend zierlicher im Körperbau. Dennoch schien es Han, als wäre sie die stärkere von beiden. Liszendir hatte einige Mühe, ihr Gesicht ausdruckslos erscheinen zu la s sen.
Schließlich sagte sie : „ Ich verstehe vollkommen. In einem Haus, das keine Wünsche offenläßt, ist deine Wahl vortrefflicher, als du selber es ahnst. Sie ist weit mehr als nur ein hübsches Gesicht und ein junger Körper – obwohl sie selbst für mein eigenes Geschmacksempfinden eine extreme Schönheit besitzt. Wir beide – du und ich – wi s sen, wie es mit uns weitergehen muß: keine Bitterkeit, keine Vorwürfe. Du mußt es tun, denn es war dir vorb e stimmt, noch ehe du mich in Boomtown trafst.“
„Dies ist eine Sache, mit der ich schwer gerungen h a be, Liszendir“, sagte er, wobei er es vermied, ihr direkt in die Augen zu schauen, die noch immer jenes tiefe Grau hatten – wie damals, als er das erste Mal dieser Liszendir Srith-Karen im sonnendurchfluteten Zimmer begegnete.
„Ich weiß, was du fühlst. Aber du darfst die traditi o nellen menschlichen Gefühle nicht auf mich projizieren, Gefühle, die wohl zu einer von deinen Boomtown-Sekretärinnen passen, wenn sie dich mit einer neuen G e liebten auf der Straße sieht. Ich fühle weder Eifersucht noch Neid. Ich wollte, daß du dies tust, und ich wußte, daß ich selbst es in dieser Form nicht gekonnt hätte. Ta t sächlich fühle ich wie Hatha. In Boomtown war mein erster Eindruck der eines faulen menschlichen Narren. Nun sehe ich tiefer. Es gibt viele Mißverständnisse zw i schen unseren beiden Völkern. Wir sollten irgendwie versuchen, zusammen zurückzukehren. Zu lange schon dauert dieses Abenteuer.“
Han sagte nichts. Sie fuhr fort: „Du wirst diese hier retten, sie wird dein Lebensinhalt sein. Ich sehe es vo r aus. Auch ich habe die Klesh -Ausstellung besucht. Es war erschütternd – nicht die Menschen selbst, sondern die Art und Weise, wie sie dazu geworden sind. Jeder einzelne Mensch auf Morgenröte ist es wert, gerettet zu werden. Was mich betrifft, so habe ich bisher auf dem ganzen Planeten nicht einen einzigen Ler getroffen, dem ich auch nur einen Finger reichen würde. Sie sind schlecht und minderwertig – sollen sie doch ruhig zurück ins Chaos und ins Animalische versinken; verdient hätten sie es.
Ich tat, was ich tun mußte und was auch du mir vorg e schlagen hast. Ich fühle mich wie an einer Wegscheide – ich wußte genau, wo Spreu und Hafer lagen. Diese Art zu denken, muß
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