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Morgenroetes Krieger

Morgenroetes Krieger

Titel: Morgenroetes Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Anthony Foster
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sie Persönlichkeit. Das Bild, das er sich von Liszendir ausmalte, war einförmig, ein Bild von großer, detaillie r ter Differenziertheit, mit einer höchst erotisch-suggestiven Geistigkeit, die ihre Körperlichkeit weit überragte. Usteyin hingegen war ein Gemälde, das die gesamte Farbpalette umspannte, eine berauschende G e stalt, deren Ausstrahlung alles und jeden in ihren Bann schlug. Er sah einer weiteren zukünftigen Beziehung zu ihr mit gemischten Gefühlen entgegen. Man hatte ihn dazu aufgefordert, seine Wahl zu treffen, und genau das hatte er getan. Dennoch sah er nicht ganz, was im Ende f fekt dabei herauskommen würde; ein paar Tage schon reichten aus, um ihm die Tiefe und Schwere des Pr o blems vor Augen zu führen. Und er hatte in der Tat ein Problem. Sie zu besitzen wäre so leicht gewesen, wie eine Frage an sie zu richten. Aber fast im Gegensatz zu dem, was er in Wahrheit von ihr erwartete, kam er sich vor, als habe er sich selbst eine schier unlösbare Aufgabe gestellt. Denn um sie wirklich so zu besitzen, wie er es wollte, mußte er sie und sie ihn näher kennenlernen.
    Zuerst dachte Han an so etwas wie eine kulturelle Schocktherapie, aber die ging – sollte sie überhaupt einen Sinn haben – an den Gegebenheiten vorbei. Es gab A n zeichen, daß sie in ihrem Innern ein äußerst empfindl i ches Gleichgewicht errichtet hatte, eines, das aufgrund eines langen und stetigen Prozesses ihre gesamte Persö n lichkeit tiefgreifend und umfassend bestimmte. Er war schon so weit, daß er sie mehr als alle anderen Mädchen oder Frauen, die er kannte oder gekannt hatte, begehrte – nicht aber um den Preis der Zerstörung ihres empfinds a men Wesens.
    Er dachte daran, daß jemand, der vorher nie Geld b e sessen hatte, durch eine Lotterie oder ähnliches über Nacht zu Reichtum kommen konnte. Auch war es den k bar, daß ein Bauer in die Stadt zog oder jemand von einem unterentwickelten auf einen kulturell hochentwickelte n Planeten kam. All das lag auf derselben Ebene. Die näc h ste wäre die, wo ein Sklave zu einem freien Bürger oder zu einem verantwortungsbewußten Mitglied der Gesel l schaft aufstiege. Dann, als dritte Ebene, käme Usteyin, die – soweit Han dies feststellen konnte – sich nicht ei n mal als ein menschliches Wesen verstand.
    Darin lag eine zweifache Ironie. Als Resultat des i n tensiven Partikelbeschusses, dem Morgenröte periodisch nach Änderung des Magnetfeldes ausgesetzt war, zeigten die abtrünnigen Ler, die den größten Teil des Planeten beherrschten, eine Rückwärtsentwicklung, verbunden mit dem Verlust ihrer ursprünglichen Fähigkeiten, während die Menschen sich offensichtlich weiterentwickelten oder wenigstens ihre Eigenart beibehielten. Han war sich ziemlich sicher, daß unter gleichen Bedingungen Usteyin bei weitem fähiger und intelligenter war als selbst der beste unter den Kriegern. Da gab es noch eine weitere Widersprüchlichkeit, die ihm Kopfzerbrechen machte: Wenn er Usteyin mit Liszendir verglich, so konnte er feststellen, daß Liszendir nach Maßgabe herkömmlicher Zivilisationsmuster auf höchstem Kulturniveau stand, Usteyin hingegen auf niedrigstem. In anderer Hinsicht jedoch, dann nämlich, wenn man Kultur und Zivilisation als Selbstkontrolle verstand, war es Usteyin, die Lisze n dir bei weitem überragte.
    Sie war ein Haustier – aber ein höchst vollkommenes. Man spannt kein hochgezüchtetes Rassepferd vor einen Pflug oder Windhunde vor Karren und Schlitten. Sie war weder ein Aschenbrödel oder eine verschrobene Magd noch eine echte Konkubine. Es wäre schon die Höhe an Donquichotterie gewesen, sie einfach in diesem Sinne zu nehmen. Um ein solches Selbstverständnis aufrechtzue r halten, bedurfte es eines inneren Gleichgewichts, das die Präzision eines erstklassigen Chronometers besaß. Er befürchtete, an seinem eigenen Ich Schaden zu nehmen, falls er sie irrtümlicherweise falsch behandelte; aber noch mehr machte er sich um ihrer selber willen Sorgen, sollte er den Versuch unternehmen, zu grob oder zu abrupt, gewissermaßen über Nacht, aus ihr ein menschliches Wesen, ein Individuum, zu machen. Je länger sie um ihn herum war, um so stärker spürte er dieses eine: Sie war Scheidepunkt und Schicksal in seinem Leben.
    Er mißtraute dem Wort „ Liebe“, ein Mißtrauen, das er vor langer Zeit zum ersten Mal empfand und das durch Liszendir ein zweites Mal geweckt worden war. Sie hatte recht behalten. Natürlich, es gab eine unbegrenzte A n zahl von Dingen,

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