Morgenroetes Krieger
Zuständen und Beziehungen, die in der menschlichen Gesellschaft allesamt in einen Topf gewo r fen und mit dem schönen Wort „ Liebe“ etikettiert wu r den. Fast so, als würde jemand fragen, ob Boomtown im Universum läge. Er spürte in seinem Innersten, daß hier ein Zusammenhang bestand, der durch selbstsüchtiges und fruchtloses Streben nach unbeschwerten Lust- und Sinnesfreuden nicht ausgeschöpft war. Mit Liszendir ha t te er jedoch das erste Mal eine höhere Ebene erreicht, eine gewisse Reife, die weit über das hinausging und sich im Hinblick auf Usteyin so auswirkte, daß er ihr gege n über eine starke Verantwortung und Verpflichtung em p fand. Dies änderte und entwertete jedoch keineswegs das, was zwischen ihm und Liszendir bestanden hatte. Plöt z lich wurde ihm klar, daß diese Zeit in der Tat von nun an der Vergangenheit angehörte – oder besser, daß sie erst jetzt ihren wahren Stellenwert erlangte.
Seine Gedanken schweiften zu einer anderen Probl e matik: Was war mit den übrigen Klesh, ob nun Zlats, Haydars oder jene Marenjis, die wohl in der Konstitution den Zlats ähnelten, aber ein wenig größer waren, eine oliv-goldene Haut und seidenfeines hellblondes Haar hatten. Die Mädchen waren atemberaubend. Er hatte d a zu das Informationsmaterial in seiner Broschüre gelesen – oder besser versucht, es zu entziffern. Die Krieger als Schöpfer der Klesh waren der Ansicht gewesen, durch Züchtung menschliche Archetypen gewinnen zu können – aber es klappte nicht. Statt dessen schufen sie unbeabsic h tigt Hunderte von rassischen Varianten mit spezifischen Vor- und Nachteilen. Han zweifelte keinen Moment da r an, daß bei diesem Auswahlverfahren im Laufe der Jah r tausende unendlich viel Leid und Unglück geschehen war. Dennoch hatte dieser Prozeß auch einige Qualitäten in aller Schärfe und Prägnanz hervorgebracht; ein Klesh brauchte etwas, um überleben zu können, und nach dem, was er erfahren halte, waren die Zlats jene, die darin die längste Tradition besaßen. Wenn sich doch nur alles wi e der ins normale menschliche Maß zurückbringen ließe!
Usteyin selbst schien zufrieden in ihrem neuen Heim. Er hatte keinerlei Vorstellung davon, wie ihr vorheriges Z u hause ausgesehen haben mochte. Sie zeigte nicht die Spur von Traurigkeit darüber, daß sie ihr bisheriges L e ben aufgeben mußte. Sie war von großer Reinlichkeit, besaß viel Geschick und Geschmack und pflegte sich mit der Gewissenhaftigkeit einer traditionellen Kurtisane, wobei man aber bei näherem Hinsehen feststellen konnte, daß der größte Teil ihres Aufwandes unerotischer Natur war und wahrscheinlich nur dazu diente, die Zeit totz u schlagen. Sie besaß eine kleine Tasche mit Toilettenart i keln, einen Kamm, eine einfache Haarbürste, eine Nage l feile und eine primitive Zahnbürste. Sie verbrachte den Tag damit, sich zu pflegen, zu schlafen oder gelegentlich mit jenem Gerät zu spielen, das wie ein Geflecht aus fe i nen Silberdrähten aussah. Seltener allerdings sang sie still vor sich hin, endlos-eintönige Lieder, deren Sprache Han nicht verstehen konnte. In solchen Situationen e r schien sie unzugänglich, eingeschlossen in ein privates Universum, dessen Weiten und Abgründe allein den Zlats oder auch nur ihr selbst zugänglich waren. Han e r laubte ihr, es sich bequem zu machen oder zu schlafen, wann und wo immer sie wollte. Nachts schlummerte sie zusammengerollt in einer Ecke neben seinem Bett. Sie hatte einen leichten Schlaf, denn von Zeit zu Zeit e r wachte sie durch ein plötzliches Geräusch oder einen Schrei von draußen und schaute in die Dunkelheit, um zu erfahren, was sie geweckt hatte; dann konnte er in der Ecke das Glänzen ihrer weit geöffneten Augen sehen, aber schon einen Moment später hörte er wieder ihre r e gelmäßigen, tiefen Atemzüge. Nachdem er sich über se i ne Erwartungen ihr gegenüber klar geworden war, hatte er das starke Verlangen, sofort mit dem Unterricht zu beginnen, hielt es dann aber doch für das beste, wenn sie sich erst einmal an ihre neue Umgebung gewöhnte, bevor er den Versuch unternahm, das Resultat einer jahrta u sendalten Züchtung und einer statisch-introspektiven Kultur umzukrempeln.
Während der Tage, da er und Usteyin allein waren, sah er sich außerstande, irgend etwas über Liszendirs Aufen t halt und Wohlergehen herauszubekommen. Langsam begann er sich Sorgen um sie zu machen. Schließlich aber tauchte sie von selbst auf. Er hatte äußerst gemischte
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