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Morgenroetes Krieger

Morgenroetes Krieger

Titel: Morgenroetes Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Anthony Foster
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stimmt mit ihm nicht? Warum gibt er keine Antwort? Kann ich dir nicht sagen, was du wissen willst?“ Lebhafte Begeisterung ersetzte die Ungehalte n heit in ihrem Tonfall.
    „Erklär es mir noch mal, Usteyin. Langsam! Ich b e ginne zu verstehen, was es ist.“
    Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie Spinnweben vom Gesicht wischen: eine Geste der Ungeduld. Wie könnte er dies hier nicht verstehen, er, der doch bisher so vieles verstanden hatte: sie selbst und auch andere. „Di e ser hier gehört mir. Ich habe ihn gemacht, ihn aufgez o gen, als ich noch sehr jung war, als kleines Mädchen, bei meiner Mutter. Wir alle haben einen. Die Zlats. Sonst niemand. Ich weiß es. Wenn ich mir die Zeit vertreiben will, wenn ich eine Geschichte erzählen will, dann nehme ich ihn, so wie jetzt.“ Sie hielt ihn in einer eigentüml i chen Weise mit der linken Hand. „Ich lasse mir auch G e schichten erzählen – etwa so.“ Sie vollführte eine schne l le Folge flinker Bewegungen mit der rechten Hand, w o bei sie das Drahtgeflecht kaum berührte. Einige der Pe r len veränderten ihre Position. Die geschickten und sich e ren Fingerbewegungen waren fast zu schnell, um ihnen folgen zu können. Dann machte sie irgend etwas anderes mit der linken Hand, das Ding reagierte, kaum wah r nehmbar, veränderte sich und wurde – zu einem völlig anderen Flechtwerk. „Kannst du es nicht sehen?“ fragte sie. „Das war die Geschichte von Koren und Jolise. Es waren zwei Zlats, die eine Liebesaffäre miteinander ha t ten; sie stahlen die Juwelen und flohen …“ Sie unte r brach sich und musterte Hans Gesicht. „Nein, du siehst es nicht, stimmt’s?“ Ihre Begeisterung schlug in Enttä u schung um.
    Han starrte hilflos auf das Flechtwerk. „Nein, ich kann es nicht sehen. Ich weiß nicht, wie. Wie viele Geschic h ten sind da drin?“ Er hatte den Eindruck, daß es so etwas wie ein symbolisches Gedächtnis war.
    Doch er irrte sich. Usteyin erklärte: „Es gibt keine Grenze, du kannst so viele Geschichten eingeben, wie du willst. Er ist mir gut gelungen. Ich weiß es. Mag sein, daß ich in meiner Klasse nur zur vierten Kategorie zähle, aber mein Geschichtensammler ist der beste, den je ein Zlat gemacht hat. Da sind Drähte, Perlen und die Art i h rer Zuordnung. Dann die Bewegungen, die Art, ihn zu halten, und der Einfall des Lichtes. Ich kann noch andere Bewegungen erfinden. Es gibt keine Begrenzung. Er ist ganz ich selbst, wenn er spricht: Hände, Augen, ich, der Geschichtensammler. Ich blicke in ihn, sehe alles, alles gleichzeitig, wenn er sich verändert.“ Usteyin suchte stotternd nach Worten, stockte, wurde plötzlich b e schämt. Offensichtlich verstand niemand ihren Geschic h tensammler. Sie atmete einmal tief durch und begann von neuem: „Alles gleichzeitig, zeitlos. Dann erinnere ich mich, wie es geschah, nachher. Dort drinnen, da gibt es keine Zeit, deshalb muß ich es in mich hineintun – nac h her. Aber es verändert sich. Es kommt … nebenbei. Ich spinne es aus, in meinem Kopf, lege die Geschichte so zurecht, daß die Dinge werden, wie wir sie erleben. Die Zeit ist für uns ein Schein, sie ist nicht wirklich. Alles ist im Augenblick. Wir aber leben nicht im Augenblick, deshalb passe ich es mir an. Verstehst du es jetzt?“
    Sie hatten verstanden. Alle starrten auf das glänzende, glitzernde Etwas in Usteyins Hand. Han spürte, wie alte Glaubensmythen sich über den Kontrollraum senkten, Geister längst versunkener Zeiten zum Leben erwachten Orakel, Magier, bärtige Gurus, die durch die Wälder wanderten, Yogis, die sich selbst entrücken konnten, M i lar e pa, Tarot, die Kabbala, das I Ching, Hexen- und Te u felskulte – und schließlich dieses rothaarige Mädchen, das keine Kleider hatte, nicht lesen und schreiben konnte, nicht wußte, wie man Liebe machte, sich selbst nicht mal als Person begriff. Liszendirs Realitätssinn brach den Bann.
    „Was muß man hineintun, um eine Geschichte zu m a chen?“ Liszendir hatte begriffen, was ein Geschichte n sammler war.
    Usteyin sah den Ausdruck im Gesicht des anderen Mädchens, erkannte, daß es verstanden wurde. „Was man will. Ich mache selber meine Geschichten oder wiederh o le die alten, die ich kenne. Es sind viele-viele. Ich kenne sie gar nicht alle. Die Zlats haben mehr Geschichten als man in einem einzigen Leben erzählen kann. Sie handeln von Liebe, Leidenschaft, Ländern, Menschen, Helden, Dingen-die-es-nicht-gibt. Aber wir können ihn nicht s o oft benutzen. Er ist

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