Morgenroetes Krieger
der erste gab keinen Laut mehr von sich. Es war seltsam: Sie töteten, aber sie selbst starben beim leichtesten Stoß oder bei der kleinsten Verwundung. Er hätte geschworen, daß der Schuß nicht tödlich war. K o misch … Er erhob sich, hetzte hinaus in die Nacht und schaute sich um. Liszendir folgte ihm.
Es war eine klare, kalte Nacht, ohne Schnee und Wo l ken; frostig blaugetöntes Sternenlicht erhellt e schwach die Panona ebene. Nur mit halbem Auge nahm er eine flüchtige Bewegung wahr. Er wirbelte herum und sah einen weiteren Pseudo-Ler, der direkt auf ihn angelegt hatte. Blitzartig ließ er sich nach vorn fallen, wußte, daß es seine einzige Chance war. Der erste Schuß ging vo r bei; Han blieb in Bewegung, versuchte dabei die Ar m brust neu zu laden, ahnte im gleichen Augenblick, daß er es nicht schaffen würde. Er dachte an nichts – nur an di e sen plötzlichen, schmerzhaften Treffer. Aber sein Gegner nahm den Vorteil nicht wahr, brach statt dessen aus se i ner Deckung, rannte los und versuchte zu entkommen. Ganz klar! Er war der letzte. Bevor Han laden und schi e ßen konnte, vollführte die Gestalt plötzlich einen wilden Satz, schlug auf den hartgefrorenen Boden und wälzte sich zuckend und um sich schlagend in Todeskrämpfen. Dann bäumte er sich noch einmal auf und lag still. Han drehte sich um. Dicht hinter ihm stand Liszendir, eine Druckpistole in der Hand, das Gesicht im fahlen, schw a chen Licht schmerzhaft verzerrt.
Sie schauten sich lange an, dann sagte sie mit g e dämpfter Stimme: „Ich habe ihn damit in Schach geha l ten, um dir Zeit zum Laden zu geben. Du hättest ihn e r wischt, wenn er versucht hätte zu schießen, da er zw i schen uns beiden wählen mußte. Aber statt dessen rannte er weg. Er wäre außer Schußweite gekommen, deshalb habe ich es getan. Irgendwann einmal muß jedes Gesetz gebrochen werden. Unter gewissen Umständen ist keines ohne Ausnahme – jetzt habe ich einer solchen von Ang e sicht zu Angesicht gegenübergestanden.“ So locker sie auch die Worte hervorstieß, man spürte deutlich, welch hohen Preis sie dafür bezahlt hatte. Sie, die kühl Überl e gende, die Unerschütterliche, die in ihrer Jugend jegl i cher Leidenschaft entbehrt hatte und ihr aus dem Weg gegangen war – sie hatte zwei Verbote gebrochen. Han berührte innerlich bewegt ihre Schulter. Sie wandte sich ab, schaute aber zurück. „Und von nun an und für alle Zeiten werde ich Liszendir die Eidesbrecherin sein. Ni e mand sonst ist so weit gegangen.“ Han konnte ihr nichts darauf antworten. Plötzlich verschwand dieses Gefühl der Vertrautheit und der Nähe zwischen ihnen, das seit jenem Tag, da sie zusammen in Boomtown an Bord des Schiffes gegangen waren, zu immer stärkerer Entfaltung gekommen war. Dieser Vorfall war etwas, zu dem sie niemals im echten Sinne stehen konnte. Ein Gebäude in Hans Innerem, das so fest gefügt schien wie jene Berge im Westen, löste sich auf in Nebel, zog sich zusammen und verschwand. Illusionen, das war es gewesen – Pha n tome. Ihre tiefsten Gefühle und Zuneigungen waren nichts als Phantome. Dann fing er sich wieder. Der G e schwindigkeit des Lichtes gleich versank Liszendir aus dem vollen Farbspektrum seines Denkens und Fühlens in die Unsichtbarkeit und Ruhe der spektralen Rotzone. Es wurde still – nun war sie endgültig ein Teil seiner Ve r gangenheit.
Han verließ sie und ging hinüber zum letzten der Wachtposten. Er nahm ihm den Umhang ab, betastete den Körper, der die Eigenwärme trotz des kalten Wetters schneller verlor, als es in solchen Fällen üblich war. Er konnte einige äußerliche Unterschiede feststellen, worin sie im einzelnen bestanden, konnte er jedoch nicht genau sagen. Er sah einem Ler verteufelt ähnlich – sicherlich nur Maske. Versucheshalber drückte er auf jene Körpe r gegend, wo gewöhnlich die Rippen saßen. Es fühlte sich merkwürdig an, nicht wie Knochen, eher wie eine Kno r pelhülle – glatt, in einem Stück. Seltsam …
Er ging zurück zu den anderen, die inzwischen nach draußen gekommen waren. Er sagte: „Zu unserem Schiff – schnell! Wir fliegen hinüber zu Hathas Schlachtschiff. Wir müssen beide vom Planeten wegbringen – zurück in den Raum, jetzt gleich, bevor wir noch einmal in so was hineingeraten.“
Anscheinend aber gab es keine weiteren von diesen Kreaturen in unmittelbarer Umgebung, denn sie blieben von ähnlichen Zwischenfällen verschont. Ungehindert und ohne Feindberührung erreichten sie die
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