Morgenroetes Krieger
Schlachtfeld hinaus, auf dem wir unsere Streitigkeiten austragen.
Wenn es somit zum Krieg kommt, ergreifen die Ler Messer und Schwerter, Schilde, Knüppel, Streitäxte und Schlagkugeln, und dann gehen sie mit ganzem körperl i chem Einsatz und Können aufeinander los. Wenn die Streitigkeiten beigelegt sind, ziehen sich die Kriegspa r teien vom Schlachtfeld zurück, und der Gewinner nimmt sich das, worum oder wogegen man gestritten hat, wä h rend sich die Verlierer gegenseitig trösten.“
Pazifisten waren sie also durchaus nicht, und es wäre auch falsch zu behaupten, daß sie nicht besonders aggre s siv waren. Zweierkämpfe waren nichts Ungewöhnl i ches, wie auch Schlägereien in Kneipen oder auf der Straße nicht. Aber sie benutzten niemals Waffen, die die Hand verließen, gleichgültig, welchen Grad der Konflikt auch erreichte. Sollte ein Ler es dennoch wagen, würden ihn die anderen auf der Stelle lynchen. Nur für diesen einen Fall kam bei ihnen die Todesstrafe zur Anwe n dung.
Diese Art der Strafe wendeten sie nicht nur gegen sich an, sondern gegen jeden, der Schuß- oder Projektilwaffen benutzte; und da die Durchführung einer solchen Bestr a fung gleichbedeutend mit totaler Vernichtung war, k a men nur wenige ungeschoren davon. Gegen interplanet a rische Angriffe hatten sie ein perfektes Verteidigungss y stem entwickelt. Man versuche nur einmal einen Ler-Planeten zu bombardieren: Sogleich würden sie eine Vorrichtung zum Einsatz bringen, die die Sonne des A n greifers in eine Supernova verwandelt. Dann verfolgten sie dessen Raumschiffe und vernichteten sie im Na h kampf. Sollte jemand lebend ihren Planetenboden erre i chen, so würde er einer Menge gegenüberstehen, die ke i nerlei Hemmungen mehr kennt. Sie würden nicht ruhen noch rasten, bis sie die gesamte Invasionstruppe buc h stäblich in Stücke zerrissen hätten.
Als Gegenleistung für Hans Flugunterricht bot Li s zendir an, ihm einige Grundgriffe und Bewegungsabläufe beizubringen, damit er – wie sie es ausdrückte – in der Lage sei, „in brenzligen Situationen allein bestehen zu können“. Es zeigte sich nach einigen ersten Versuchen, daß er mit der körperlichen Motorik die gleichen Schwi e rigkeiten hatte wie Liszendir mit ihrem technischen Ve r ständnis. Wohl lernte er bereitwillig alles, was sie ihm zeigte, spürte danach jedoch noch tagelang jeden einze l nen Muskel. Zudem war der enge Körperkontakt mehr als sie beide zugeben mochten – ein ständiger Anlaß g e genseitiger Irritation.
„Liszendir, trainieren bei euch in der Schule Jungen und Mädchen zusammen?“
„Natürlich. Es gibt kaum Geschlechtertrennung“, an t wortete sie amüsiert.
„Na gut, aber werden sie durch den engen körperl i chen Kontakt nicht stimuliert?“
„Sicherlich. Sie trainieren in der Grundstufe, das heißt die ersten sechs Jahre, völlig nackt. Sie erlernen die A n fänge, indem sie das Spiel der Muskeln genau beobac h ten und fühlen. Und wenn sie nicht anders können, dann gehen sie eben kurz mal um die Ecke oder in die Büsche, um sich zu befriedigen – warum denn nicht? Auch ihr Menschen räumt euren Studenten Zeiten ein, wo sie ihren Bedürfnissen nachgehen können. Das gleiche tun wir. In weiter fortgeschrittenen Trainingsstufen jedoch lernen und üben wir Selbstkontrolle.“
Nach einigen Versuchen, Han ein paar Feinheiten di e ser Art beizubringen, gab sie mit der Begründung auf, daß er ein hoffnungsloser Fall sei. Als sie es sagte, mußte sie jedoch lachen, denn er hatte es eigentlich besser g e macht, als sie beide es sich vorgestellt hatten.
In der Zwischenzeit kontrollierte Han die Instrumente und kündigte das nahe Ende ihrer Reise an. Die Sonne, zu deren Planetensystem Chalcedon gehörte, rückte in greifbare Nähe. Bald würden sie wieder Boden unter den Füßen haben und aus eigener Anschauung sehen können, was es mit den „Kriegern der Morgenröte“ auf sich hatte.
Als sie ihr letztes gemeinsames Mahl vor der Landung beendet hatten, fragte Liszendir: „Kann man Chalcedons Sonne auf dem Bildschirm sehen?“
„Natürlich. Schon seit unserem Start. Hier! Ich werd’s dir zeigen.“ Er drückte einen kleinen Knopf auf der Schalttafel. Sogleich erschienen zwei hauchdünne Linien auf dem Sichtgerät – beide so fein wie das feinste Haar. Der Bildschirm vermittelte den optischen Eindruck, als seien die silbrigen Linien im Raum selbst. In ihrem Schnittpunkt befand sich ein einzelner Stern, der näher als all die
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