Morgenroetes Krieger
Warmes neben sich. Tief atmend, lag Liszendir an ihn gekuschelt. Als sie seine Bewegungen spürte, erwachte sie ebenfalls. Ihre Augen waren klar und strahlend. Sie streckte sich und lächelte; schmerzlich spürte und sah Han das Muske l spiel unter ihrer Haut. Sie schien Muskeln bewußt ko n trollieren zu können, von denen er nicht einmal gewußt hatte, daß es sie gab. Sie schwiegen. Wie sollten sie auch in Worte fassen, was jetzt zwischen ihnen war?
So verstrich eine Zeit, die kein Ende zu nehmen schien. Sie sprachen wenig, verzichteten auf Erklärungen, e r zählten keine Geschichten und unterließen jede Art von rationaler und analytischer Spekulation. Die Tage blieben ungezählt – lachend gingen sie darüber hinweg. Sie w a ren, wie Liszendir es einmal ausdrückte, „in der Gege n wart verhaftet; keine Vergangenheit, keine Zukunft – kein Ich, kein Du.“ Auch die kleinsten alltäglichen Dinge erfüllten sie mit einem Höchstmaß an Freude und Genuß; während der warmen Tage ging Liszendir völlig nackt. Han war mehr und mehr eingenommen von diesem s i cheren, festen Körper; alles an ihr war kunstvoll, durc h dacht und anmutig. Nach Gestalt und Form war sie für ihn eher das Abbild einer orientalischen Menschenga t tung – Gesicht und Haare jedoch waren anders –, und in der kühlen Luft des frühen Morgens war ihre Haut wie weißes Elfenbein, durchglüht von rosa Schatten.
Sie forderte nichts. Sie wußten beide, daß ihre Au s dauer stärker war als die seinige; so bewahrte und belebte sie seine Kraft, ihn dabei provozierend, verspottend und ihn ständig in Verwirrung stürzend.
Sie hatten keine Lebensmittel mehr. Han sammelte e i nige Dinge zusammen, belud damit den drif und ma r schierte über die Ebene zu den Randbezirken der Stadt, wo er seinen Goldstaub absetzte, der nach Boomtown-Maßstäben ein gewaltiger Schatz gewesen wäre. Er keh r te zu den Felsenspitzen zurück, ohne etwas Neues über die Krieger erfahren zu haben, und so nahmen beide ihr früheres Leben in alter Gewohnheit wieder auf.
Schrittweise und allmählich begannen sie wieder mi t einander zu sprechen; zuerst waren es nur kurze Anekd o ten aus der Vergangenheit, vage Erinnerungen, aber bald wurde ihr gemeinsames Problem wieder Gegenstand he f tiger und ausgedehnter Diskussionen.
Es war eine warme Nacht, und der Himmel war mit leichten Wolken bedeckt, die die Wärme des Tages lä n ger als sonst bewahrten. Sie saßen am Ufer des Baches, eng aneinandergeschmiegt und sich gegenseitig in den Armen haltend. Liszendir begann als erste: „Nun hat sich einiges zwischen uns geändert; du nennst mich mit me i nem Liebes-Namen, Liszen, oder mit meinem Körpe r namen Izedi. Das ist gut. Es ist dein gutes Recht, und es gefällt mir. Es war eine herrliche Zeit, eine der schönsten in meinem bisherigen Leben. Aber weit und breit gibt es kein Anzeichen, daß je ein Raumschiff kommen wird, und du weißt, daß dies alles mal ein Ende haben muß – genauso wie wir es vorher besprochen haben.“
„Ich hoffte, wir könnten es vergessen, Izedi.“ Han b e nutzte immer häufiger ihren Körper-Namen. Es war eine merkwürdige Sache: Gewisse Buchstaben des ursprün g lichen Namens wurden zu einem anderen zusammeng e zogen, was nach Ler-Brauch nur jemand durfte, der zu dem Namensträger eine intensive körperliche Beziehung unterhalten hatte.
„Auch ich, lieber Han. Aber mein Körper hat es nicht vergessen, und er wird es auch nicht vergessen. Ihm kann ich nichts vormachen. Schon jetzt spüre ich erste Verä n derungen, Kleinigkeiten nur, sicherlich, aber doch Ve r änderungen. Es bleibt noch Zeit für uns, gute Jahre, wenn wir es wollen. Und ich will es – mit ganzem Herzen!“
„Mir fällt nichts anderes ein, als hierzubleiben und die Tage so wie bisher zu verbringen, und zwar so lange es irgendwie möglich ist.“
Sie sprach zögernd, fast scheu: „Je näher ich meiner Fruchtbarkeit komme, um so weniger werde ich nach dir Verlangen haben. Was wir tun können, wird nicht genug sein, um die Leere mit Sinn zu füllen, verstehst du? Aber hör mir zu! Manchmal, in der späten Reifezeit, passiert einigen Ler-Paaren genau dasselbe wie uns. Deshalb le i sten sie sich ein Versprechen und schwören, daß sie nach Verwebung, Geburt und Aufzucht der Kinder wieder z u sammenkommen wollen, und zwar mit dem vollen Wi s sen, daß es nie mehr so sein kann wie am Anfang. Es gibt viele Versprechen dieser Art – und viele scheitern. Willst du es in
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