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Morgenroetes Krieger

Morgenroetes Krieger

Titel: Morgenroetes Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Anthony Foster
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Han aber am meisten beunr u higte, jetzt, wo er in der dichteren Atmosphäre seine normale Denkfähigkeit zurückgewonnen hatte, war die seit einigen Tagen immer deutlicher werdende Tatsache, daß Liszendir zu phantasieren begann und ausgedehnte Selbstgespräche führte.
    Sie aßen den letzten Rest ihres Nahrungskonzentrats. Es blieb noch soviel, daß sie es auf zwei weitere Tage hätten verteilen können – oder sie konnten alles auf ei n mal essen, um dann so weit wie möglich zu kommen. Sie entschieden sich für die zweite Möglichkeit und warfen dann lachend den Beutel weg. Weit davon entfernt, in Traurigkeit zu verfallen, empfanden sie beide eine seit Chalcedon nicht mehr gekannte innere Freude. Nach der Mahlzeit schien auch Liszendir wieder klar bei Bewuß t sein zu sein. Zum Glück, denn sie hatte den ganzen Nachmittag von Schlössern und gierigen Augen gefaselt.
    „So, Han, das war also unsere letzte Mahlzeit. Wie weit werden wir wohl kommen?“
    „Wenn wir in Form bleiben, gut drei Tage, wenn nicht, höchstens zwei.“
    Sie schaute sich um. „Hier also wird alles enden, unser heiteres Intermezzo, von dem niemand etwas weiß. Ich habe keine Furcht. Schau dich um, schau’s dir an!“
    Han folgte ihrem Blick: In dem schnell verlöschenden Abendlicht reckten sich über ihnen die Felsenpfeiler der Bergschlucht in die Höhe, eine gewaltige Masse – jede ihr eigenes Territorium behauptend. Die Bergkette war jetzt hinter dem westlichen Rand der Schlucht außer Sicht. Han war irgendwie dankbar dafür, denn der A n blick dieser nackten, mächtigen Gesteinswelt hatte ihn entmutigt und gedemütigt. Kein Mensch, nicht ein einz i ges denkendes Lebewesen würde je diese Pässe beschre i ten, diese Gipfel erklimmen. Dort oben gab es keine Luft zum Atmen. Die Gipfel türmten sich meilenweit über der Ebene, höher als alle Berge, die Han je mit eigenen A u gen oder auf Bildern gesehen hatte.
    Liszendir sprach erneut, ohne seine Antwort abzuwa r ten: „Du kannst es nicht sehen – ich dagegen kann es: ein tiefdunkles Violett in den Schatten, nefalo perhos ’em spanhrun, in den Felsen, im Fluß weiter unten. Dies ist ein Ort der Erdriesen, der Heroen, reison, eine kalte, u n barmherzige und grausame Schönheit. Ich bin weit g e reist, um dies zu erleben.“ Sie schien von dem Schauspiel wie hypnotisiert. Fast wie ein Kind, schoß es ihm durch den Kopf. Den Ausdruck eines Hellsehers im Gesicht, sagte sie: „Wie herrlich. Schau es dir an.“ Han sah nur endlose Dunkelheit, ein grenzenloses Nichts voller Qual, Kälte und tödlichem Schweigen.
    Die Nacht senkte sich über sie und ihren Schlaf. Am Morgen sammelten sie Decken und Armbrust ein und setzten ihren Weg nach unten fort. Sie sahen nichts, was ihnen Hoffnung und Selbstvertrauen hätte geben können. Pflanzen säumten von nun an ihren Weg, doch sie sahen wenig vertrauenerweckend aus, und keiner von beiden hatte rechte Lust, sie zu probieren. Sie hatten sich mit dem Zweitagesmarsch verschätzt. Han wußte, daß sie nur noch diese eine Nacht durchhalten konnten, und als eben diese letzte Nacht über sie hereinbrach, eilte Liszendir mit dem letzten Rest an Kraft, den sie noch aufbringen konnte, ein Stück voraus. Im versinkenden Tageslicht sah er sie weit unten: das Gesicht vor Freude strahlend. Fre u de? Es war wohl eher eine Mischung aus Angst und H y sterie – dasselbe, was er empfand. Dazu die Erschöpfung und der Hunger. Ja, vielleicht hatte sie recht – besser die Dinge so zu nehmen, als vor ihnen in die Knie zu gehen.
    Sie wartete bei einem großen Felsbrocken auf ihn – glücklich und gelöst. Han zögerte, fürchtete den Wah n sinn, den er in ihrem Blick vermutete. Aber das einzig Merkwürdige, was sie tat, war, in seine Arme zu sinken, um ihn danach in den Schutz des Felsens zu ziehen. Nicht aus Liebesverlangen – denn dafür hatten sie beide schon längst keine Kraft mehr –, sondern um es sich für die hereinbrechende Nacht bequem zu machen. Sie schmiegte sich an ihn wie ein kleines Kind und begann alsbald im Schlaf zu sprechen. Es war wieder Multi-Sprache, und ihre Stimme, sanft und weich, flüsterte Dinge, deren Sinn er niemals erfahren würde. Bevor er die Augen schloß, schaute er auf ihr Gesicht: Es war schmal geworden, eingefallen und abgezehrt, aber sie lächelte beim Sprechen – glücklich, fast entzückt. Wah r scheinlich erwartete sie nicht, jemals wieder aufzuw a chen. Auch Han glaubte nicht daran. Er streichelte ihr über das Haar und

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