Morgenrot
Sanitäter oder Polizisten spuckt. Die Spur war kaum zu ignorieren.«
Lea konnte der Versuchung nicht widerstehen, zu Pi zu schielen. Wie gewöhnlich stand er mit kerzengerader Haltung da, die Arme vor der Brust verschränkt, wobei die Waffe nachlässig in einer Hand baumelte. Offensichtlich machte sich Pi wenig Sorgen darum, ob Adam zu einem spontanen Sprung ansetzen könnte.
Akinora hingegen schien sich da nicht so sicher zu sein und hatte sich und seinen wertvollen Papierstapel hinter einem Aktenschrank in Sicherheit gebracht. Allerdings saß er damit in der Falle, denn zwischen ihm und dem Ausgang stand nun Adam, der gerade ausprobierte, ob er den verletzten Arm wieder anwinkeln konnte.
»Lea war plötzlich weg, und Nadine hat einen Überfall ä la Macavity überlebt. Nicht schwierig, sich einen Reim auf die Sache zu machen. Und vor Akinoras Institut stehen ein paar von deinen Leuten herum. Die Idee, einen Abstecher zu Akinoras alter Lehrstätte zu machen, war demnach naheliegend. Also, was soll diese alberne Nummer hier? Du hättest mir Bescheid geben können, dass Lea bei dir ist.Wir hätten uns geeinigt, Pi.«
Pi zuckte mit den Schultern. »Hätten wir gewiss. Aber Akinora kann mir direkt geben, was ich will. Ich habe einfach gemutmaßt, dass sich schon alles in Wohlgefallen auflösen würde. Bevor du mitbekommen hättest, was Sache ist, hätte Akinora sein Blut, ich meine Info.
»Du meinst wohl, ich bin klüger, als du bislang angenommen hast. Also gib dir besser gar nicht erst die Mühe, mir erzählen zu wollen, dass ich Lea in einem Stück zurückbekommen hätte. Dafür bist du ein viel zu großer Freund davon, ein Exempel zu statuieren. Ich habe nicht nur Akinoras Vergangenheit ausgekundschaftet.«
Pi zuckte gleichgültig mit den Schultern, als wolle er sagen:Was soll's? Dann sind die Karten jetzt halt neu gemischt. Von wegen, Sportsfreund, dachte Lea sich. Du bist ein rachsüchtiges Miststück, dem man besser nicht den Rücken zudreht. Denn Pis verkniffene Lippen verrieten, dass er die Angelegenheit ganz und gar nicht locker nahm.
In der Zwischenzeit hatte sich Macavity etwas von Adams Angriff erholt und versuchte, sich hochzustemmen. Adam reagierte sofort. Er ließ Macavity noch ein Stück robben, dann verpasste er ihm einen Tritt in die Nierengegend. Macavity sackte erneut zusammen. Als Adam den Schuhabsatz auf Macavitys Nacken platzierte, erklang Pis Stimme gemeinsam mit dem Klicken der entsicherten Waffe.
»Wir wollen doch nicht übertreiben.«
Da Adam sich nicht anschickte, dem Befehl Folge zu leisten, richtete Pi den Lauf kurzerhand auf Leas Kopf. Der lag immer noch auf der Seiteund bot einen Blick auf die Wunde an ihrem Hals, aus der rhythmisch ein feiner Blutfluss quoll. Lea sah direkt in die dunkle Öffnung der Waffe, und ein kühl berechnender Teil ihres Gehirns wies sie darauf hin, dass Adam unmöglich schneller als die Kugel sein konnte.
In Pis Kommando hatte ein Ton mitgeschwungen, als könne er sich nur mit größter Mühe zu dieser Zügelung durchringen. »Du lässt dich zu sehr gehen, Adam. Ein paar eingetretene Rippen oder Finger, die von einem Schuh zerquetscht werden, hätte ich dir wahrscheinlich kommentarlos durchgehen lassen. Aber ein gebrochenes Genick -das geht dann doch etwas zu weit. Es würde mir einfach zu lange dauern, bis Macavity sich davon erholt hätte, und wer kann schon sagen, ob ich ihn im Verlauf der Unterhaltung nicht noch einmal benötige.«
Widerstrebend zog Adam sich zurück und beobachtete unruhig, wie Macavity aus seiner Reichweite kroch. Er war mit diesem Mann noch nicht fertig, und Lea hoffte inständig, dass sein Verstand nicht vollends von Rachegelüsten ausgeschaltet worden war. Auch wenn sie froh darüber war, dass Adam diesem Scheusal eine Abreibung verpasste, so war ihr Bedarf, als hoch dotierter Pokereinsatz zu fungieren, gründlich ausgereizt. Sie wollte raus aus diesem Laboratorium, und zwar möglichst schnell.
Als hätte er Leas stummes Flehen erhört, sagte Pi zu Adam: »Wie wollen wir jetzt aus dieser unvorteilhaften Situation herauskommen?« Pis Blick wanderte zu Akinora, den lediglich einige Schritte von Adam trennten. »Mein Vorschlag: Du schnappst dir deine wertvolle Lea und wartest in einer Ecke, bis wir drei uns zurückgezogen haben. Dann hat jeder von uns beiden, was er wollte.«
Adam schüttelte den Kopf. »Macavity gehört mir.«
Pi winkte ungeduldig mit der Hand ab. »Jag ihn ein anderes Mal, wenn du das unbedingt
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