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Morgenrot

Morgenrot

Titel: Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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schwankende Planken.
    »Gut festhalten!«, krächzte Maiberg vergnügt.
    Instinktiv streckte Lea die Arme aus, bekam einen Handlauf zu fassen und krallte sich an ihm fest. Es folgte ein Moment der Schwerelosigkeit. Ein Fall in die Tiefe, dann rammten die Planken unter ihren Füßen festen Grund. Ein weiterer Schubs gegen ihren
    Rücken ließ sie taumeln und unsanft auf allen vieren landen. Unter der einen Hand fühlte sie Geröll, unter der anderen nackte Haut -Adams Brust. Hilflos schluchzend hielt sie sich an ihm fest.
    »Willkommen im Raubtierkäfig«, erklang Adalberts Stimme aus einiger Entfernung, irgendwo weit über ihr. Die nasale Stimme warf ein flüchtiges Echo.
    Mit einer fahrigen Bewegung zog Lea sich den Sack vom Kopf und strich sich das Haar aus den Augen. Ungläubig schaute sie sich um: Man hatte sie in einer Felsenlandschaft ausgesetzt. In einer riesigen Höhle, berichtigte sie sich, während ihr Blick nach oben zu einer unregelmäßig gewölbten Decke wanderte. Das war also ihr Ziel gewesen: eine in sich geschlossene, steinerne Welt tief im Herzen der Erde.
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    In unerreichbarer Höhe waren einige Scheinwerfer angebracht, denen es jedoch nur unzureichend gelingen wollte, die Tiefen der Höhle auszuleuchten. Außerdem schwankten die Strahler sanft an dem Gestänge, an denen sie aufgehängt waren. Das Ergebnis bestand in einer für das Auge verwirrenden Mischung aus Dämmerlicht und schwarzen Stellen, die für Sekundenbruchteile an Konturen gewannen und dann gleich wieder verschwanden.
    Unsicher betrachtete sie die Höhle, deren ganzes Ausmaß sie nur erahnen konnte: Schatten und große Felsbrocken versperrten die Sicht. Der Boden war durchsetzt mit Rillen und Geröll. Die kühle Luft stand unbeweglich still und unterstrich mit ihrer Schwere die Abgeschiedenheit dieses Käfigs.Verstärkt wurde dieser Eindruck durch die leicht nach innen gewölbten Wände, die jeden Augenblick einem immensen Druck nachzugeben und in tausend Stücke zu zerbersten drohten. Dieser verstörende Eindruck und ihr Gespür für Gefahren flüsterten Lea ununterbrochen zu, zu fliehen. Dieser Ort war nicht dafür gedacht, von Menschen betreten zu werden. Hier unten sollte eigentlich ewige Dunkelheit herrschen. Die Vision einer Unterwasserwelt zog vor ihrem inneren Auge vorbei, unterstrichen von dem Geruch von Salz.
    Lea schüttelte die Ahnung wie eine lästige Berührung ab, dann fand sie den Auslöser: Als hätte jemand eine Ader in den Steinbodengesprengt, schlängelte sich ein Wasserlauf mitten durch die Höhle und verschwand dann in der Felswand. In die Öffnung im Gestein war ein Eisengitter eingelassen. Aber selbst wenn es diese rostigen Stangen nicht gegeben hätte, hätte der zügig fließende Bach keine Fluchtmöglichkeit für Lea dargestellt. Ohne auch nur eine Fingerspitze eingetaucht zu haben, wusste sie, dass das Wasser eisig kalt war. Selbst Adam könnte nicht in diese Dunkelheit eintauchen. Denn wer mochte schon wissen, wohin das Wasser führte? Wie musste es sein, plötzlich gefangen an eine Verengung des Unterwassertunnels zu stoßen und sich nicht wieder gegen den reißenden Strom zurückbewegen zu können?
    Unwillkürlich schauderte sie.
    Direkt vor ihr schoss eine spiegelglatte, in sich gekrümmte Felswand etwa fünf Meter in die Höhe und endete in einem überstehenden schlichtem Bretterboden und einem Handlauf, der mehr schlecht als recht Halt bot. Außerdem entdeckte sie Adalbert, der ihr eine flüchtige Kusshand zuwarf, ehe er sich zum Gehen abwandte.
    »Mach bloß, dass du wegkommst«, flüsterte sie und schlang die Arme um ihren Körper. In Wirklichkeit wäre es ihr in diesem Moment unendlich viel lieber gewesen, wenn Adalbert sie mit seinem dünkelhaften Gehabe in den Wahnsinn getrieben hätte, anstatt sie mit dem besinnungslosen Adam in dieser riesigen Grabkammer zurückzulassen.
    Gab es hier unten tatsächlich ein Raubtier, wie Adalbert angedeutet hatte? Kauerte es hinter einem Felsen oder im schwarzen, rasch dahinfließenden Wasser? Hatte man sie den ganzen Weg hierher getrieben, nur um sie an ein Ungeheuer zu verfüttern?
    Lea registrierte, wie ihre Atmung sich erneut zu überschlagen begann, wie der Sauerstoff, kaum dass er die Lungenflügel erreicht hatte, zwanghaft wieder hinausgepresst wurde. Schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen, und kalter Schweiß breitete sich auf ihrer Haut aus. Kraftlos ließ sie sich neben Adam sinken und schmiegte sich an seine Seite. Mit ihrem Gesicht an seinem

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