Morgenrot
steckte.
»Keine Sorge, Kettenhund, ich habe dich nicht vergessen«, ging Adalbert eine Spur zu belustigt auf Adams Herausforderung ein. »Ich befürchte allerdings, dass die Dinge für dich nicht zum Besten stehen. Es sei denn, du kannst dich zweiteilen ... Aber ich vermute mal, dass du die junge Frau hinter dir nicht kampflos aufgeben wirst, bloß um dich mit mir zu messen? Erstaunlich, dass Etienne jemanden gefunden hat, der seine Perversion teilt. Ihr zwei seid wirklich ein seltsames Gespann: Anstatt dem Dämon zu huldigen, gebt ihr euch mit Sterblichen ab. Gerade so, als wären sie vom selben Rang!«
»So schmerzhaft es für dich sein mag, Adalbert«, unterbrach Professor Carriere Adalberts Redefluss, »ich habe mich damals auch mit dir abgegeben, obwohl du nur ein Mensch bist.«
Ehe Lea den Sinn dieser Worte vollends begreifen konnte, gellte ein Wutschrei durch den Raum, dem einen Sekundenbruchteil später ein atemloses Keuchen in ihrer unmittelbaren Nähe folgte.
Mit einer fahrigen Bewegung wischte sie sich über die Augen. Etwas Funkelndes war durch die Luft geflogen. Als sie sich Professor Carriere zuwandte, sah sie, dass der kurze Griff eines Wurfmessers schräg in dessen Stirnplatte steckte. Während sie noch fassungslos zuschaute, wie der Professor nach einer kurzen Benommenheit mit den Fingerspitzen die Waffe betastete, griff Adam an.
Im letzten Moment umfasste er die blitzartig vorschnellende Truss, bevor sie sich auf Lea stürzen konnte. Es gelang ihr jedoch, Leas Schläfe mit ihren krallenartigen Fingernägeln zu ritzen. Lea schrie auf und blickte entsetzt in die gierig funkelnden Augen der Söldnerin, die von Adam weggerissen wurde. Gemeinsam stürzten die beiden Kämpfenden über die hohe Sofalehne, wobei Truss ein unmenschliches Fauchen ausstieß.
Diese Furie wollte sich auf mich stürzen!, schoss es Lea ungläubig durch den Kopf. Tatsächlich hatte Truss mit ihrem Angriff bis zu dem Moment gewartet, da Adam von Adalberts Provokation abgelenkt wurde.
Hinter dem Sofa erschallte ein dumpfes Poltern, als die beiden Ringenden auf dem Boden aufschlugen. Sofort gingen sie aufeinander los.
Unschlüssig kam Lea auf die Beine. Sollte sie fliehen, solange Adam diese Verrückte noch in Schach hielt? Doch sogleich meldete sich das schlechte Gewissen: Sie konnte sich doch unmöglich von dem verletzten Professor abwenden und ihn seinen Peinigern überlassen.
Zögerlich machte sie einen Schritt auf Carriere zu, der sich langsam das Messer aus dem Schädel zog. Plötzlich sprang der immer noch lautstark fluchende Adalbert nach vorn. Mit einem waagerecht ausgeführten Streich hieb er eine lange schmale Klinge in Professor Carrieres Hals.
Ehe Adalbert die Klinge herausziehen und erneut zustechen konnte, gelang es dem Professor, ihm einen Tritt gegen das Knie zu verpassen, woraufhin der schwere Mann einknickte und zur Seite fiel. Adalbert stöhnte vor Schmerzen auf und griff sich an sein verletztes Bein.
Mit einem vor Entsetzen kreidebleichen Gesicht blieb Lea vor Carriere stehen und blickte stumm auf die Klinge, die ihm mitten in der Kehle steckte. Seine Augen waren grotesk geweitet, während sie auf den wippenden Griff der Waffe gerichtet waren. Seine Wangen bebten, und er öffnete den Mund, wie um etwas zu sagen. Stattdessen drang ein Schwall dunklen Blutes heraus, der ihm übers Kinn hinab auf die Brust lief.
Lea erstarrte. Alles an ihr fror bei diesem Anblick ein: Atem, Herzschlag, Gedanken. Sie registrierte nicht einmal, wie der Professor sich die Klinge mit einem satten Schmatzen aus der Kehle riss. Erst als Tropfen der Blutfontäne, die unter Hochdruck aus der Wunde herausschoss, ihre Lippen benetzten, setzten ihre Lebensgeister wieder ein: Sie schrie wie von Sinnen.
Währenddessen hieb Professor Carriere mit der Waffe nach Adalbert, der schwankend wieder auf die Beine gekommen war. Doch im entscheidenden Moment streifte seinen Arm ein zurücktaumelnder Adam, dem Truss gerade einen mächtigen Schlag verpasst hatte. Das Messer flog im hohen Bogen davon und fiel scheppernd auf den Boden.
Adam stieß mit dem Rücken gegen die Wand und glitt daran hinab. Das Haar hing ihm wirr ins Gesicht, die Wange war trotz der rasch anwachsenden Schwellung eingedrückt, und der Nasenrücken wies eine blutige Bruchstelle auf. Als er jedoch den Kopf anhob und seine Gegnerin am anderen Ende des Raums anvisierte, strahlten seine Augen ungebrochenen Kampfeswillen aus. Die Schmerzen schienen nicht zu ihm
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