Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung
immerhin mehr, als die andern zu tun bereit waren.
In dem alten Steinbruch streckten die Brombeeren ihre langen Ranken aus, und das Farnkraut, das sich zuerst nur wie winzige, zarte grüne Hirtenstäbchen gekrümmt hatte, wuchs jetzt bereits kniehoch. Alles knospte, trieb und drängte im sommerlichen Rausch der Sonne entgegen. Sommer! Und er schien in diesem Jahr nicht so trostlos zu werden wie sonst. Im Obstgarten standen die Liegestühle. Paps saß dort und schrieb und ließ sich die Sonne auf die Backen scheinen. Gaylord lag auf dem Rasen und malte. Mummi saß im Schatten, behaglich zufrieden, und spürte in sich das keimende Leben und fühlte sich eins mit der lebenstrotzenden, fruchtbaren Erde. Auch sie würde ihre Ernte einbringen. Um ihre geschlossenen Augen vertieften sich die kleinen Lachfältchen. Paps, der sie beobachtete, sagte: «Ich würde sonst was drum geben, wenn ich wüßte, woran du in diesem Augenblick denkst, May.»
Sie öffnete die Augen, lächelte ihn zärtlich und träge an: «Ich dachte daran, daß Gaylord der Zweite gerade zum Erntedankfest erscheinen wird.»
«Oh.» Er machte ein enttäuschtes Gesicht. «Und ich dachte, du denkst an etwas wirklich Komisches.»
«Der Pfarrer würde sich darüber sicherlich sehr freuen. Denn schließlich gehört er ja auch zu der Gemeindeernte.» Sie lachte glücklich. Paps blickte verständnislos. «Ist ja e gal», sagte sie. «Gaylord der Zweite hat es sich jedenfalls so vorgenommen, er findet das komisch.» Sie schloß die Augen und schaukelte wieder zwischen Wachen und Träumen hin und her wie ein Stück Treibholz in der Brandung. Auch Jocelyn konnte besser mit geschlossenen Augen nachdenken. Lautlos, wie ein Indianer, schlängelte sich Gaylord auf dem Bauch davon.
Nachdem ihm die Flucht gelungen war, hielt er inne. Er wollte gern seinen Freund Wiedersehen, aber keinesfalls dessen Brüder. Sehr vorsichtig blickte er sich nach allen Seiten um. Und als er an den alten Steinbruch kam, blieb er, mit laut klopfendem Herzen, erst einmal lauschend stehen.
Nur die Grillen, die schilpenden Spatzen, die fleißigen Bienen. Ganz leise schlich er weiter und wurde belohnt, denn da stand Willie. Allein. Erleichtert atmete Gaylord tief auf.
Wie schön war es, in das Gestrüpp des alten Steinbruchs zu kommen und Willie lächeln zu sehen. Willies Lächeln war so warm und so wohltuend wie der Sonnenschein. «Hallo, Gaylord», sagte er. «Dachte schon, dich gäb’s gar nicht mehr.»
«Hatte bloß keine Zeit», sagte Gaylord und bohrte träge ein Loch in den Sand.
Die Sonne brannte heiß. Der Steinbruch roch nach warmem Sand, nach Felsen und Fingerhut und Farn. Gaylord blinzelte durch das Sonnenlicht zu Willie hinüber und lächelte. Er war selig, daß Willie wieder der alte war und alles andere vergessen schien. Langsam schlich der Nachmittag weiter. Sie redeten wenig, aber sie waren zufrieden, wieder beieinander zu sein, und genossen das lange Schweigen. Endlich sagte Willie: «Du kennst doch unsern Bert?»
Gaylord fuhr zusammen. Er nickte.
«Er will dich fertigmachen», sagte Willie.
Gaylord bohrte weiter im Sand. «Warum?» fragte er.
«Du warst unverschämt. Und dein Vater war unverschämt.» Willies Stimme klang vorwurfsvoll.
Gaylord wünschte mehr denn je, er hätte ihnen nicht die lange Nase gedreht. Er bohrte weiter.
«Du kennst doch unsern Dave?» fragte Willie.
«Ja», sagte Gaylord unglücklich.
«Er will dich auch fertigmachen. Du warst unverschämt. Und dein Vater auch.»
Die Schatten im Steinbruch wurden jetzt länger. «Du kennst doch unsern Mike?» fragte Willie.
Es hatte keinen Zweck. Die Herrlichkeit war zerstört. Gaylord stand auf. «Willie, ich muß jetzt nach Hause», sagte er und wünschte um alles in der Welt, er wäre niemals hierhergekommen.
Willie machte ein enttäuschtes Gesicht. «Gaylord, du kommst jetzt gar nicht mehr. Und wenn du mal kommst, dann bleibst du nicht.»
Gavlord klopfte sich den Sand von seiner kurzen Hose. «Mein Vater ist nie unverschämt», sagte er.
«Sagt aber unser Arthur», sagte Willie. «Er will dich auch fertigmachen deswegen.»
Becky, die auf dem Rasen lag, war rundherum nußbraun, wenn man von den paar Zentimetern absah, die ihr Badeanzug bedeckte. Rose, die von der Sonne lediglich müde wurde und Sommersprossen bekam, saß im Schatten und unterhielt sich mit Bobs. Bobs hörte Rose zu und sah dabei zu Becky hinüber. Peter sah ebenfalls zu Becky hinüber. Großtante Marigold und Opa sahen zu
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