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Morgenstadt - wie wir morgen leben

Morgenstadt - wie wir morgen leben

Titel: Morgenstadt - wie wir morgen leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Joerg Bullinger
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Blauanteil, wenn man fit sein will, und mit wenig Blau, wenn es allmählich ans Einschlafen geht.
    Angefangen hatte alles, als 2001 bekannt wurde, dass US-Wissenschaftler einen fünften Rezeptor im Auge des Menschen entdeckt hatten 57 , der besonders stark auf blaues Licht reagiert und die Produktion des Hormons Melatonin steuert. Dieses ist dafür verantwortlich, wie wach wir sind. „Bisher ließen sich Lichtquellen nur schwer manipulieren, was ihre Farbtemperatur betrifft“, sagt Dr. Matthias Bues von dem Team Visual Technologies am IAO. „Seit etwa vier Jahren aber gibt es in der Lichttechnik einen gewaltigen Umbruch.“ Es geht um die Technologie der 1962 erfundenen Leuchtdioden oder LEDs, wie man die Light Emitting Diodes 58 heute meist nennt. Diese Halbleiterelemente senden Licht aus, je nach Material mit unterschiedlicher Farbe. Intensive Forschungsarbeit in den letzten Jahrzehnten, insbesondere seit Anfang der 90er Jahre, hat dazu geführt, dass LEDs inzwischen in vielen Farben und mit hoher Lichtstärke zur Verfügung stehen. „Die Technologie ist jetzt reif, wird aber noch zu wenig angewandt“, findet Ingenieur Bues.
    Er und seine Mitarbeiter haben sich deshalb mit großem Engagement auf das Gebiet gestürzt und im IAO in Stuttgart ein LightFusionLab aufgebaut, wo sie neue, revolutionäre Leuchtkonzepte erfinden, technisch umsetzen und demonstrieren. Eines davon ist eine Leuchte mit verstellbarem Blauanteil. Sie besteht aus LEDs mit verschiedenen Farben, deren Licht von der Seite her in eine Plexiglasscheibe gelenkt, dort überlagert und nach unten geführt wird. So entsteht bei der richtigen Farbmischung weißes Licht. Da die Dioden einzeln ansteuerbar sind, lassen sich die Farbanteile variieren, also weißes Licht mit höherem oder niedrigerem Blauanteil herstellen. „Die Kunst dabei ist, den Wechsel möglichst wenig wahrnehmbar zu machen“, betont Bues.
KUNSTLICHT, DAS WIE TAGESLICHT WIRKT
    Das Ziel ist, für den Wohn- und Arbeitsbereich Kunstlicht zur Verfügung zu stellen, bei dem sich der Mensch besonders wohl fühlt. Tageslicht besitzt diese Eigenschaft, und das liegt womöglich an seinem steten, aber sehr langsamen Wechsel. „Unter natürlichen Bedingungen ändert sich die Lichtfarbe im Laufe des Tages von einem morgendlichen, rötlichen Warmweiß über kalte, bläuliche Töne am Mittag bis hin zum Abendrot, einem warmen Weißton“, sagt IAO-Forscher Oliver Stefani, der sowohl Ingenieur als auch Designer ist. „Geht man von der evolutionären Anpassung des Menschen an dieses Farbenspiel aus, so kann man vermuten, dass ein Nachempfinden dieser Abfolge in der künstlichen Raumbeleuchtung positive Auswirkungen auf Befinden und Leistung hat.“
    Das Team um Matthias Bues entwickelte deshalb eine Software, welche die Lichtmischung der Schreibtischlampe ganz allmählich ändert und so den Tagesablauf nachbildet. „Heliosity“ tauften die Forscher die Leuchte: „Für uns bedeutet dieser Begriff dynamisches Licht“, so Bues. Oliver Stefani hat inzwischen Tests mit zehn Freiwilligen durchgeführt und bereits festgestellt, dass alle das Wechsellicht als angenehmer empfanden als statisches Licht. Die weitere Auswertung wird zeigen, wie sich die Variation der Lichtzusammensetzung im Detail auf Wachheit, Leistungsfähigkeit, Müdigkeit und Schlafqualität – insgesamt also auf die innere Uhr – auswirkt.
    Daraus lassen sich dann optimale Lichtsteuerprogramme für einzelne Situationen ableiten: Denkbar wäre ein verstärkter Blauzyklus nach der Mittagspause, um das dann meist eintretende Leistungstief abzufangen. Oder das Absenken des Blauanteils gegen Abend, damit der Nutzer ganz allmählich müde wird und gut einschlafen kann. Derzeit wird in Basel ein Seniorenheim geplant, in dem das Licht der Aufenthaltsräume so gesteuert werden soll, dass es die innere Uhr der Bewohner im Takt hält und deren Stimmung aufhellt. Das ist wichtig, denn ältere Menschen neigen vermehrt zu Winterdepressionen, und Demenzkranke leiden oft unter einem verschobenen Tag-Nacht-Rhythmus.
    Ein nächster Schritt könnte sein, Computermonitore oder Fernsehbildschirme so zu konstruieren, dass deren Lichtspektrum individuell programmiert werden kann. „Wir sind künftig von immer mehr Displays umgeben, und deren Licht macht einen zunehmend größeren Anteil an der Umgebungsbeleuchtung aus“, sagt Matthias Bues. „Es wäre also sinnvoll, wenn man sie beispielsweise abends so einstellen kann, dass unser Schlaf-Wach-Rhythmus

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