Morgenstadt - wie wir morgen leben
Russland eine weitaus größere Bedeutung haben als bei uns. Das erzeugt manchmal Probleme, aber es hat auch zur Folge, dass einige Dinge sehr gut funktionieren, zum Beispiel die Staatsbahn.“
Am Ende erhielten die russischen Partner, was sie wollten: Ein Programm, mit dem sie die Belastungen vorab simulieren und auf diese Weise die Auswirkungen der Maßnahmen abschätzen konnten. Damit können sie beispielsweise ermitteln, welche Folgen ein Brückenbau für das Gesamtsystem hat, der das reibungslose Linksabbiegen an einer Kreuzung ermöglicht, oder welche Kapazität die einzelnen Zwischenlager bieten. „Wir haben erforscht, welche Veränderungen in der Infrastruktur nötig sind, um die angestrebten Ziele zu erreichen“, sagt Kochsiek, „und welche Straßen oder Bahnlinien man zusätzlich bauen muss, um Ausfallrisiken zu vermeiden.“ Ob ihre Vorschläge schließlich umgesetzt wurden, konnten die Forscher nicht mehr mitverfolgen, aber „es reizt mich sehr, wieder nach Sotschi zu fahren, um mir die Veränderungen in der Stadt anzusehen“, meint der Ingenieur.
MEHR MENSCHEN AUF ENGEM RAUM VERSORGEN
Die Organisation großer Baustellen ist eines der Geschäftsfelder des IML. „Je dichter ein Raum besiedelt ist, desto größer ist die Herausforderung für die Logistik von Bauvorhaben“, sagt Uwe Clausen. „Das gilt für die Morgenstadt in besonderem Maße, denn dort wird es nicht nur Neubauten geben, sondern auch energetische Sanierung und Umbau der bestehenden Gebäude auf die Bedürfnisse zum Beispiel älterer Menschen, aber auch den Abriss alter Bauten, etwa von Kraftwerken.“ Bei all diesen Vorhabenmuss man für den reibungslosen Ablauf sorgen, die Informationsplattformen für alle Beteiligten organisieren und so nachhaltig wie möglich arbeiten. So sollte man beispielsweise überlegen, wie man den Bodenaushub von U-Bahnen im engeren Umfeld wieder zur Landschaftsgestaltung einsetzen kann.
Aber nicht nur Baustellen benötigen eine vorausschauende Planung, sondern die gesamte Ver- und Entsorgung der Stadt der Zukunft. „Prognosen gehen von einem Zuwachs des Lieferverkehrs in den nächsten 20 Jahren um 60 Prozent aus. Manches wird sich durch Selbstorganisation regeln, aber bei weitem nicht alles. Und vieles nicht in optimaler Art und Weise“, sagt Clausen. So wird man auf engerem Raum mehr Güter transportieren und verteilen müssen. Um bei steigendem Verkehrsaufkommen diese Aufgabe zu lösen, ist eine stärkere Bündelung der Warenströme, eine effizientere Verknüpfung aller Transportmittel sowie eine verbesserte Verfolgung des Materials nötig. 111 Die Kommunikationstechnik wird dafür sorgen, dass Güter in der Lage sind, ihren Transport teilweise selbst zu organisieren und dabei Aufwand und Wege zu minimieren.
SILBER SURFER UND TANTE EMMA 2.0
Die Verbraucher werden künftig neue Möglichkeiten nutzen, um einzukaufen. Sie werden nicht nur in großen Handelszentren und Malls „shoppen“ gehen, sondern zunehmend auch wieder den kleinen Laden in der Nähe bevorzugen. Vor allem ältere Mitbürger, die weite Wege scheuen, werden die lokale Versorgung mit Lebensmitteln und Konsumgütern schätzen. Viele werden ihre Einkäufe auch online erledigen oder mit Hilfe neuer elektronischer Bestellsysteme an öffentlichen Terminals. Das erzeugt zusätzlichen Lieferverkehr. Allein im Jahr 2010 wurden im deutschen Kurier-, Express- und Paketdienstsektor rund 2,25 Milliarden Sendungen befördert. Gegenüber 2009 entspricht dies einer Steigerung um etwa 114 Millionen Sendungen oder 5,3 Prozent. 112
Schon in den kommenden 10 bis 20 Jahren werden sich deshalb die Strukturen des städtischen Einzelhandels verändern. „Der Bedarf an Nahversorgung steigt“, sagt IML-Forscherin Christiane Auffermann. „Wir sprechen dabei von Tante Emma 2.0. Wie mandie Logistik am besten organisiert, erforschen wir derzeit im Rahmen des EffizienzClusters LogistikRuhr.“ Dieses vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Exzellenzcluster hat das Ziel, die Logistik von morgen zu erforschen und neue technische Ansätze und Geschäftsmodelle für die Materialströme in der Stadt der Zukunft zu entwickeln.
Mehr und kleinere Läden haben die logistische Folge, dass geringere Warenmengen häufiger an mehr Ziele geliefert werden müssen. Zusätzlich wollen immer mehr Menschen auch übers Internet Waren bestellen, die ins Haus gebracht werden. Dr. Christoph Windheuser von der Beratungsfirma Capgemini sprach auf der CeBit 2012
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