Morgenstadt - wie wir morgen leben
Mit dem Methan könnte man dann gleich die Fahrzeugflotte der Gemeinde betreiben.“
Ebenfalls gut in der Stadt zu verwenden ist ein Produkt, das die Ingenieure Dr. Axel Kraft und Dr. Jürgen Grän-Heedfeld vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Oberhausen aus Biodiesel-Abfällen herstellen: ein neuartiges Enteisungsmittel. „Es handelt sich im Wesentlichen um Lösungen von Natriumlaktat in Wasser. Wir können sie auf der Basis von Glyzerin herstellen, das als Reststoff bei der Herstellung von Biodiesel gebildet wird. Zukünftig ist dies auch aus nichtessbaren Zuckern machbar, die beim Aufschluss von Holz anfallen“, sagt Kraft. „Man kann es wie Streusalz auf die Straßen geben, es als Enteisungsmittel auf Flughäfen einsetzen oder als Frostschutzmittel beispielsweise in Wärmepumpen verwenden. Es ist bioverträglich und – anders als konventionelles Streusalz – im Boden biologisch abbaubar.“
KUNSTSTOFFE – ZU WERTVOLL ZUM VERBRENNEN
Die Wieder- und Weiterverwertung von dem, was wir heute oft verächtlich „Müll“ nennen, wird in der Morgenstadt zur Regel werden. „Abfälle sind Ressourcen, die man erneut nutzen kann“, sagt IML-Leiter Uwe Clausen. „Man findet darin so viele Wertstoffe, dass man die Stadt und ihr Abfallaufkommen eigentlich als Mine für Rohstoffe betrachten kann. Daher auch der Ausdruck ‚urban mining‘. Er bedeutet, dass man diese Rohstoffe wie in einem Bergwerk abbauen kann.“ Und Dr. Andreas Middendorf vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin betont: „Abfälle sind im Prinzip Materialien, über die man keine Information hat.“
Papier und Metallschrott sind Stoffe, bei denen schon heute die Wiederverwertung in Deutschland gut funktioniert. Das liegt in erster Linie daran, dass sie sortenrein gesammelt werden. Die meisten Produkte des Alltagslebens bestehen jedoch aus einem vielfältigen Materialmix – sie enthalten verschiedene Metalle, Kunststoffe, Holz, Mineralien, Farben und Zusatzstoffe. Landen sie im Abfall, müssen die Materialien erst einmal wieder auseinanderdividiert werden.
Beim Kunststoff lag bisher das Problem darin, dass man ein Gemisch aus unterschiedlichen Plastikarten nur schwer trennen konnte, außerdem enthalten viele Teile bromierte Flammschutzmittel, die beim Erhitzen giftige Stoffe freisetzen. Vor allem in Altautos und Elektronikschrott sind große Mengen davon enthalten. Künftig wird man nicht mehr umhinkönnen, als diese wieder zu nutzen, allein schon um die Ressourcen zu schonen. „Denken Sie mal an den langen Weg von der Erdölexploration zur -aufbereitung“, sagt Dr. Thomas Probst vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung. „Dann wird das Erdöl gecrackt, nach Europa transportiert und zu verschiedenen Produkten verarbeitet. Wenn ich diese aber nur verbrenne, nutze ich den großen Energie- und Wertstoffanteil des Kunststoffs nicht mehr.“ 122
Besser wäre also Recycling, beispielsweise für die Kunststoffe im Elektronikschrott. Die etwa 2 Millionen Tonnen davon, „die in deutschen Haushalten und Gewerbebetrieben pro Jahr anfallen, würden einen Güterzug von Flensburg bis Garmisch füllen“, so Dr. Martin Schlummer, Recyclingexperte am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising. „Neben Stahl, Kupfer und Edelmetallen würde dieser über 400000 Tonnen Kunststoffe transportieren. Gelänge es, auch nur die Hälfte dieser Menge wiederzuverwerten, könnten daraus zum Beispiel Gehäusekunststoffe für mehr als 400 Millionen Laptops, Kaffeemaschinen oder Staubsauger neu entstehen. Dies entspricht einem Materialwert von gut 200 Millionen Euro.“ 123
Er und seine Kollegen am IVV haben deshalb ein Verfahren entwickelt, mit dem man aus einem bunten und mit Flammschutzmitteln verschmutzten Plastikgemisch wieder reine und saubere Kunststoffe zurückgewinnen kann. Sie lösen die Mixtur in besonderen, ungiftigen Lösungsmitteln auf, trennen die ebenfalls darin gelösten Schadstoffe ab und fällen dann die gewünschte Substanz aus. Das Lösungsmittel wird wieder zurückgeführt und erneut verwendet. Tests haben gezeigt, dass die so gewonnenen Materialien rein genug sind für eine erneute Verarbeitung, auch ihre mechanischen Eigenschaften sind so gut wie bei Neumaterial.
DIE STADT ALS ROHSTOFFMINE
Die Technisierung unserer Welt hat eine Umwälzung herbeigeführt, die noch kaum ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen ist:
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