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Morgenstadt - wie wir morgen leben

Morgenstadt - wie wir morgen leben

Titel: Morgenstadt - wie wir morgen leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Joerg Bullinger
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lange zu lagern, bis man entsprechende Technologien entwickelt hat, um die Gewürzmetalle zu wirtschaftlichen Kosten wieder herauszuholen. „In einer Tonne Erz, die in Südafrika gefördert wird, findet man durchschnittlich 50 Gramm Gold“, sagt Achim Reller. „In einer Tonne Handyschrott aber stecken 200 bis 250 Gramm Gold, also vier- bis fünfmal so viel!“
    Da hierzulande aber das Recycling geringer Mengen meist noch viel zu teuer ist, wird Elektronikschrott häufig unter falscher Etikettierung beispielsweise nach Afrika exportiert, wo er auf Mülldeponien in Ghana und anderen Ländern Westafrikas landet. Dort ist seine Verwertung eine wichtige Einnahmequelle: In Accra, der Hauptstadt Ghanas, leben beispielsweise angeblich rund 5000 Menschen von den Metallen, die sie aus Elektronikschrott herauslösen 127 – ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit. „Diese Arbeit ist oft die Lebensgrundlage für ganze Familien“, sagt IZM-Forscher Middendorf, der sich in EU-Hilfsprojekten in Westafrika 128 engagiert. Am Rand von Accra sieht man Kinder, die Kabel verbrennen, damit sie an das Kupfer der Leitungen herankommen. Es ist ein wichtiger Rohstoff, den sie zu Geld machen können. Was sie dabei nicht bedenken – und offenbar stört es auch sonst niemanden –, ist die Tatsache, dass sie dabei die giftigen Dämpfe einatmen, die bei der Verbrennung der Kabel entstehen. Beobachter berichten, dass das Vorgehen der Kinder in Ghana kein Einzelfall ist: Ähnliches wurde auch in indischen Städten und in Dakar im Senegal beobachtet. 129
TRENNUNG AUF MOLEKULARER EBENE
    Je enger Werkstoffe miteinander verbunden sind, desto schwieriger ist es naturgemäß, sie wieder zu trennen. „In der Automobilbranche etwa werden heute leichte Hochleistungswerkstoffe zu Hybridbauteilen kombiniert, Montageträger und Dachstrukturen etwa bestehen aus solchen Bauteilen. Diese werden in der Morgenstadt ebenfalls zum Recycling anstehen. Solche Hochleistungswerkstoffe erfordern aber neue Trenn- und Sortiertechniken“, sagt Dr. Jörg Woidasky vom Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT. „Mit konventionellen Recycling- und Produktionsprozessen werden sich Primärrohstoffe künftig in vielen Fällen nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll ersetzen lassen.“ Deshalb wollen die Wissenschaftler sogar bis hinunter zur kleinsten erforderlichen, das heißt bis zur molekularen Ebene gehen: „Molecular Sorting“ nennt sich dieses Vorgehen.
    Wie so etwas aussehen kann, demonstrieren Forscher des ISC am Beispiel von Glas, einem mineralischen Rohstoff. Für Photovoltaik und Solarthermie sind Gläser erforderlich, die extrem wenig Eisen enthalten, da dieses die Lichtdurchlässigkeit senkt. Die Wachstumsdynamik dieser Branche ist aber so groß, dass weder die natürlichen eisenfreien Rohstoffquellen noch die Recyclingmenge von ausgedienten PV-Modulen mit hochtransparenten Gläsern ausreichen. Hier bietet sich Flachglas als Rohstoffquelle an, das bisher etwa zu billigem Behälterglas verarbeitet wird. Das Problem: Der Eisengehalt von Flachglas ist zu hoch. Bislang wird es chemisch entfärbt, dadurch erhöht sich die Transmission jedoch nicht.
    ISC-Experten entwickeln jetzt Verfahren, welche das Eisen auf molekularer Ebene vom Glas trennen sowie verbleibende geringste Eisengehalte so umwandeln, dass die Transmission nicht mehr beeinträchtigt wird. Die Stofftrennung erfolgt bei rund 1500 Grad Celsius in der Glasschmelze. „Im Prinzip fischen wir in der Glasschmelze die Eisenatome heraus“, sagt Dr. Jürgen Meinhardt. „Wir nutzen dabei Alt-Flachglas als Rohstoffquelle, um hochtransparentes Glas herzustellen.“
    Am besten wäre es natürlich, wenn Produkte von Haus aus so hergestellt würden, dass sie leicht wieder demontiert und sortenrein zerlegt werden können. Doch bisher steckt das recyclinggerechte Produzieren noch in den Kinderschuhen. In der Morgenstadt wird es wohl immer häufiger anzutreffen sein, denn es stellt das Grundprinzip aller Kreislaufwirtschaft dar: am Anfang schon ans Ende denken.

KAPITEL 9
KOMMUNIKATION
    Immer und überall erreichbar zu sein bringt manchmal auch skurrile Situationen hervor: Während eines Besuchs im Wüstenstaat Dubai, wo wir Kontakte mit lokalen Industrievertretern und politischen Repräsentanten knüpfen, trifft ein Anruf der Bundeskanzlerin ein. Leider ist der Empfang etwas außerhalb der Stadt ziemlich schlecht. Allgemeine Hektik bricht aus, denn der direkte Draht zu Frau Merkel soll natürlich nicht an

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