Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Titel: Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Wolf
Vom Netzwerk:
ich wünschte nur, dass ich nicht die Auserwählte wäre. Ich habe Heimweh nach meiner Mutter und meinen Schwestern im Orden.«
    »Du hast bisher nicht den Eindruck gemacht, dass es dir hier nicht gefällt«, entgegnet er ungläubig. Ich drehe mich zu ihm um und starre ihn an.
    »Ich habe nie behauptet, dass es mir hier nicht gefällt, … aber hier ist eben nicht mein Zuhause.«
    Nevis‘ Miene ist unnahbar und nicht zu deuten. »Wir sind da«, sagt er und zeigt auf eine Tür, die sich neben uns aufgetan hat. Dahinter liegt in aller Stille mein Zimmer.
    »Danke, Nevis«, sage ich, unsicher wie er darauf reagieren wird.
    Er nickt nur und geht dann weg. Einfach so. Hat er es nicht gespürt? Ich schließe meine Augen und versuche erneut seine Nähe zu spüren.
    »Gute Nacht«, flüstere ich mir selbst zu.
    Am nächsten Morgen sitze ich in meinem Bett und kann nur daran denken, dass ich am folgenden Tag mit Aviv für eine Woche von hier verschwinde. Gedankenverloren betrachte ich meine geheilten, aber noch leicht geröteten Fußsohlen. Im Nachhinein kommt mir der gestrige Abend wie ein schlechter Traum vor. Warum verletzt mich Nevis‘ Verhalten so? Ich muss unbedingt heute die Gelegenheit nutzen, um mit ihm zu sprechen, bevor ich drei Wochen in Angst vor der Zeit bei ihm verbringe. Doch ich werde sie durchziehen, … jetzt erst recht. Ich habe nur vier Optionen, mein weiteres Leben zu führen, und ich wäre verdammt blöd mir nicht alle ausgiebig anzusehen. Bisher schwanke ich zwischen Jesien und Aviv. In der Nacht ist mir klar geworden, was mich ein wenig an Sol stört. Die Tatsache, dass er gerade eine Gefährtin verloren hat, jetzt aber schon wieder fleißig um mich buhlt. Allerdings kann man ihm das auch nicht wirklich verübeln. Vielleicht reißt er sich zusammen und versteckt alles hinter seiner hübschen Fassade, um nicht die nächsten hundert Jahre in Einsamkeit zu verbringen?
    Jedenfalls ist mir bisher Jesien am sympathischsten und Aviv bringt mich mit seiner schüchternen Art einfach dazu, ihn gern zu haben. Einerseits ist der Frühling aufbrausend und jungenhaft, dann aber auch wieder zurückhaltend und introvertiert. Eben niemand wie Sol, der total selbstsicher wirkt.
    Und Nevis … was mochte ich an ihm? Seine Augen, … auch seine weißen, wirren Haare, aber hauptsächlich seine hellblauen Kristallaugen, die so traurig und verletzt wirken, dass man sich einfach in ihnen verlieren muss. Allerdings hat er sich gestern Abend als möglichen Ehemann für mich ausgeschlossen und die Tatsache tut weh. Er lehnt mich einfach ab. Dabei fühle ich seinen Körper immer noch auf meinem. Ich kralle mich mit meinen Händen in den Laken des Bettes fest. Immer und immer wieder habe ich die Szene in der Nacht in meinem Kopf abgespielt. Das Gefühl seiner Brust auf meiner … das Schlagen seines Herzens. Unserer Herzen, die sich aneinanderzudrängen schienen. Es war schön und gleichzeitig auch unglaublich prickelnd, ihm so nah zu sein. In mir füllt sich jetzt noch alles mit einer kribbelnden Wärme auf, wenn ich nur daran denke.
    »Zeig mir Nevis«, bitte ich die Wand zu meiner rechten. Eine Winterlandschaft erscheint, eine einsame Einöde voller Schnee und einem klaren Himmel. Im Hintergrund kann man ganz schwach ein paar Berge ausmachen.
    »Nevis?«, frage ich verwirrt. »Ich wollte Nevis sehen!«
    Doch die Wand zeigt nur die Landschaft, bis plötzlich … Da bewegt sich etwas! Ich gehe näher heran und erkenne Nevis, der neben einem weißen Wolf durch den dicken Schnee läuft. Nein, er scheint mehr darüber zu schweben und sinkt bei seinen Schritten keinen Millimeter ein. Aber wieso bewegt sich das Bild dieses Mal? Das letzte Mal hatten die Jahreszeiten wie Fotos ausgesehen.
    »Ist er das … jetzt gerade?«, frage ich laut, als ob die Wand antworten könnte. Möglich ist es. Sicherlich ist er gestern Abend in seine Welt verschwunden, um sich von der Hitze draußen zu erholen. Seufzend lasse ich mich wieder auf dem Bett nieder und beobachte, wie die Wand Nevis‘ Weg durch den Schnee verfolgt. Was hat er gestern draußen gesucht? Er muss vor mir draußen gewesen sein, denn sonst hätte mich das Haus nicht hinausgeführt. Aber er weiß doch von der Lava, der Hitze und dem Tod. Ein ungutes Gefühl überkommt mich und bringt mich dazu, nervös im Zimmer auf und ab zu laufen. Wollte Nevis sich gestern Abend umbringen? Mein Brustkorb scheint plötzlich zu eng zu sein und ich bekomme nur schwerlich Luft. Ich muss mit

Weitere Kostenlose Bücher