Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay

Titel: Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
Vom Netzwerk:
Bahnhof passiert, ließ sie das Rad ausrollen. In einer schmalen Seitengasse nahm sie zwei Gestalten wahr, einen schmal gewachsenen Mann im langen Gehrock und einen dunkelhaarigen Jungen, der etwa in ihrem Alter war. Im ersten Moment sah es so aus, als tanzten sie einen bizarren Tanz, dann aber erkannte sie, dass die beiden miteinander kämpften – und es sah nicht gut für den Jungen aus. Der Mann hatte seine Hände um den Hals des Burschen gelegt und drückte mit aller Macht zu.
    Tess ließ das Fahrrad zu Boden fallen. »He!«, schrie sie und lief in die Gasse. Sie war nur noch wenige Schritte von den beiden Kontrahenten entfernt, als der Mann aufschaute,die Augen schloss – und zusammen mit dem Jungen verschwand.
    Tess wirbelte herum. Das war unmöglich! Kein Mensch konnte sich einfach in Luft auflösen. Da! Dort hinten bei den Mülltonnen waren sie wieder. Kaum hatte sich Tess in Bewegung gesetzt, waren sie auch schon wieder fort, nur um sich an einer anderen Stelle wieder zu materialisieren. Der Junge wehrte sich verzweifelt, aber es konnte keinen Zweifel daran geben, dass er in diesem ungleichen Kampf unterliegen würde. Wieder ein Sprung, diesmal auf das Dach des angrenzenden Hauses, aber auch dort blieben sie nur für wenige Sekunden. Doch im nächsten Augenblick erschienen die beiden direkt vor Tess. Sie streckte die Hand aus, packte den Mann beim Kragen und riss ihn fort. Der Junge ging röchelnd und hustend zu Boden. Der Mann, der aus der Nähe einem Habicht auf eine geradezu lächerliche Weise ähnlich sah, flog in hohem Bogen durch die Luft, schlug hart auf die Erde auf und rutschte über das Kopfsteinpflaster.
    »Verdammt«, fluchte Tess, als sie sah, was sie angerichtet hatte. Aber ihre Sorge, den Kerl womöglich ernsthaft verletzt zu haben, war unbegründet. Anstatt benommen liegen zu bleiben, sprang er wie an einer Schnur gezogen hoch und rannte auf Tess zu – nur um im Laufen zu verschwinden.
    »Vorsicht«, krächzte der Junge hinter ihr, aber es war zu spät. Der Mann erschien hinter Tess und stürzte sich auf sie. Dann machte es Klick. Mit einem Mal war die Welt wie in Aspik eingelegt. Alle bis auf ihre eigenen Bewegungen waren langsam und zäh, auch die des Habichtmannes, dem sie jetzt tänzerisch mit einem Schritt zur Seite auswich. Der Mannschwamm träge an ihr vorüber. Sie packte seinen Arm und zog so heftig, dass sie ihren Gegner quer über die Straße katapultierte, wo er gegen eine Brandmauer prallte und ohnmächtig liegen blieb. Dann machte es erneut Klick und alles war wieder normal. Oder was man normal nannte.
    Der Junge hatte sich auf die Beine gekämpft und nun die Hand seiner Retterin ergriffen. Dann änderte sich die Umgebung, einmal, zweimal, dreimal und schließlich so oft, dass Tess schwindelig wurde. Als sie sich schließlich bei einem Stellwerk in der Nähe des Bahnhofs zum letzten Mal materialisierten, sackte sie auf die Knie und übergab sich geräuschvoll.
    »Wer bist du?«, keuchte sie und wischte sich mit einer zitternden Hand den Mund ab. »Etwa ein Eskatay?«
    »Ein Eskatay? Nein. Mein Name ist York«, sagte der Junge und half ihr hoch. »Entschuldige, ich wollte nicht, dass dir schlecht wird, aber ich versuche diesen verdammten Egmont schon die ganze Zeit zu entwischen.« Er schaute sich um, dann lächelte er sie an. »Sieht so aus, als wäre mir das dank deiner Hilfe auch gelungen.«
    »Wer ist Egmont?«, fragte Tess, die in ihrem Zustand nur häppchenweise verabreichte Informationen verdauen konnte. Ihr wurde wieder schlecht.
    Yorks Gesicht verfinsterte sich. »Der Privatsekretär meines Vaters, Erik Urban.«
    Tess musste schon wieder würgen. »Kenne ich nicht. Weder den einen noch den anderen.«
    »Mein Vater war der obersten Richter dieses Landes.« »Tut mir leid, aber ich habe bis vor Kurzem mein Leben intotaler Isolation verbracht. Mein Name ist übrigens Tess. Und: Ja, ich bin kein Junge«, fügte sie hinzu, als sie Yorks fragenden Blick bemerkte.
    »Durftest du das Haus auch nicht verlassen?«, fragte York überrascht.
    Tess lächelte müde. »Ich bin in einem kommunalen Waisenhaus aufgewachsen. Da setzt man nur selten einen Fuß vor die Tür.«
    »Du hast keine Eltern?« Yorks Verblüffung steigerte sich noch mehr.
    »Jeder hat Eltern. Aber wenn du fragst, ob meine noch leben, kann ich dir nur sagen, dass ich es nicht weiß. Ich habe sie nie kennengelernt.«
    »Ich kenne meine auch nicht«, sagte York leise.
    »Was?«, sagte Tess. »Aber du hast doch

Weitere Kostenlose Bücher