Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay
Geheimnisse wurden ausgespart. Vor ihm stand ein Mensch, von dem er in diesem Augenblick mehr wusste als von seiner Frau oder seinen Kindern.
Lennart schnappte nach Luft, als Hakon ihn losließ. Er starrte den Jungen entsetzt an. »Oh mein Gott«, flüsterte er.
Ihm war so schwindelig, dass er sich an die Wand lehnen musste. »Und du weißt genauso viel über mich?«
»Ja«, sagte Hakon. »Aber es war nicht meine Absicht. Im Zirkus ... ich konnte es nicht kontrollieren. Normalerweise versuche ich nicht, jedem in den Kopf zu schauen. Aber Swann war da, und da habe ich die Kontrolle verloren. Und auch jetzt bin ich nicht sicher, das Richtige getan zu haben. Aber ich bin einfach ...«
»... verzweifelt, ich weiß. An deiner Stelle hätte ich genauso gehandelt.«
»Wenn Swann Sie findet, wird er Ihren Verstand wie ein Uhrwerk auseinandernehmen, nur um herauszufinden, wie Sie ticken. Und dann wird er auf meine Erinnerungen stoßen, die jetzt auch die Ihren sind. Für mich ist das nicht weiter tragisch. Ich weiß nichts, was diesem Kerl auch nur im Entferntesten weiterhelfen wird. Aber Sie, Sie sind jetzt in ein Geheimnis eingeweiht, das man schon seit sehr langer Zeit zu schützen versucht. Er wird Sie und Ihre Familie in diese Kiste schauen lassen. Und dann wird nichts mehr wie vorher sein.«
Lennarts Gedanken fuhren Karussell. Er wusste, dass er nicht die Kraft des Jungen hatte, um sich vor einem Angriff Swanns zu schützen. Es gab nur eine Möglichkeit, diesem Schicksal zu entgehen.
»Ja. Wir müssen fliehen. Noch in dieser Nacht«, sagte Hakon.
»Dann sollten wir gehen.«
»Danke«, sagte Hakon, als er wieder für Lennarts Augen und die aller anderen Menschen, die sich in seiner Nähe befanden,zu einem Schatten wurde. Danke, dass Sie mir zugehört haben.
»Hatte ich eine andere Wahl?«
Nein, die hatten Sie nicht. Aber solange ich bei Ihnen bin, wird Ihnen und Ihrer Familie nichts zustoßen. Das verspreche ich Ihnen.
Im Gefängnishof war der Teufel los. Alles, was eine blaue Uniform trug und eine Waffe in den Händen halten konnte, war auf den Beinen, um das Gelände zu sichern.
Keiner der Männer vermochte den Jungen zu sehen, der dicht neben Lennart ging. Auch Lennart wusste nur wegen der Präsenz in seinem Kopf, dass er nicht allein war.
»Herr Direktor?«, rief er dem Mann zu, der noch immer damit beschäftigt war, die recht kopflose Suche nach dem Flüchtling zu organisieren.
»Chefinspektor Lennart !« Der Direktor wischte sich eine widerspenstige Strähne aus der Stirn, die aber sofort wieder zurückrutschte. »Es tut mir wirklich leid, aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Bitte, seien Sie versichert, dass die Sicherheitsmaßnahmen in diesem Staatsgefängnis rigoroser sind, als es die Erlasse vorschreiben.«
Lennart hüstelte und zwang sich, nicht hinter sich zu schauen. Da brach der Mann zusammen.
»Bitte«, wisperte er. »Sagen Sie nicht im Ministerium Bescheid! Lassen Sie mich erst den Bericht schreiben, ja?«
Lennart schwieg. Die Situation war zu peinlich, als dass er irgendetwas dazu sagen konnte. Schließlich nickte er.
»Danke! Ich danke Ihnen wirklich!«
Es fehlte nicht viel und der Direktor hätte Lennart die Hand geküsst.
»Würden Sie dann bitte das Tor für mich öffnen, damit ich hinausfahren kann?«, bat Lennart. Er hoffte, dass es angesichts all der Verwirrung niemandem auffiel, dass er erst die hintere rechte Tür öffnete und dann wieder schloss, bevor er sich hinter das Steuer setzte. Doch der Direktor nickte nur geistesabwesend und gab der Wache im Torhaus ein Zeichen. Lennart gab Gas und brauste davon. Im Rückspiegel konnte er noch sehen, wie ihm der Direktor nachwinkte, als verabschiedete er lieben Besuch.
»Das war einfach«, sagte Lennart und bog auf die Straße nach Schieringsholm ein.
»Sehr einfach«, entgegnete Hakon, der nun auf der Rückbank saß. »Wenn es stimmt, dass es vor mehreren Tausend Jahren einen Krieg zwischen den Eskatay und den Menschen gab, dann möchte ich mir nicht vorstellen, mit welchen Mitteln er ausgetragen wurde.«
»Die magisch Begabten hatten den anderen Menschen gegenüber einen großen Vorteil«, warf Lennart ein.
»Ja, äußerlich waren sie einander gleich. Das macht den Kampf immer schwer, wenn man nicht weiß, wie der Feind aussieht und wo er steht.«
»Trotzdem wäre es interessant zu wissen, wie sich Gist und Eskatay voneinander unterscheiden. Abgesehen von ihrem Ursprung.«
»Ich bin nicht Teil dieses sogenannten
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