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Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay

Titel: Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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gelegenen Hafen Arbeit fanden. Lebte die Innenstadt einen Traum aus Marmor und Gold, so war man in diesem Viertel mit dem Kampf ums Überleben beschäftigt. Schwarzer Rauch stieg aus Hunderten von Schornsteinen auf und vereinigte sich zu einer Wolke, die ein träger Wind flussabwärts nach Osten hinaus aufs Meer trieb, wo sich ein Dutzend Kräne bewegte, um die angelandeten Frachtschiffe zu entladen. Als Tess die Mitte der Brücke erreichte, hielt sie kurz inne, aber dann ging sie weiter, ohne noch einmal einen Blick zurückzuwerfen.
    Obwohl dieser Teil Loricks schäbig wie das Ostviertel war, fühlte sich Tess auf Anhieb wohler. Hier waren die Straßen nicht wie mit dem Lineal gezogen, alles schien organisch gewachsen zu sein. Süderborg bestand aus einem unregelmäßigen Netz kleiner Gassen, in denen Kinder spielten, Händler ihre Waren anboten und Matrosen die Gelegenheit für einen Landgang nutzten. Deswegen schien auch jedes zweite Haus eine Kneipe zu sein, wo Bier und einfache Mahlzeiten angeboten wurden. Plötzlich hatte Tess eine Idee. Ohne lange zu überlegen, betrat sie die nächstbeste Spelunke.
    In der Schankstube roch es nach kaltem Rauch und verschüttetemBier. Die Stühle standen umgedreht auf den Tischen. Gäste waren keine da, dazu war es offensichtlich noch zu früh. Tess schaute sich vorsichtig um. Die Decke des Raumes war niedrig und braun vom Tabaksqualm. An den Wänden hingen Gaslampen, die aber nicht brannten, da die Fenster geöffnet waren. Eigentlich war dies kein Ort für Kinder, aber Tess hatte keine andere Wahl.
    »Hallo?«, rief sie. »Ist jemand da?«
    »Sicher ist jemand da«, knurrte es hinter ihr. »Meinst du etwa, ich lasse hier alles sperrangelweit auf und fahre dann in Urlaub?«
    Tess wirbelte erschrocken herum und starrte in das Gesicht eines Mannes, der nicht viel größer als sie selbst war. Die Haare standen ihm in einem wirren Kranz ab, die schmutzig gelben Koteletten waren buschig und auf der Nase saß eine Brille, deren Gläser so trübe waren, dass Tess sich fragte, wie der Mann damit noch etwas sehen konnte.
    »Sind Sie der Wirt?«, fragte Tess.
    »Nein, ich bin eine verzauberte Elfe. Natürlich bin ich der Wirt! Was willst du von mir?«
    »Ich suche Arbeit«, antwortete Tess und versuchte dabei so erwachsen wie möglich zu klingen.
    »Entschuldigung?«, sagte der Wirt, als hätte er nicht richtig gehört.
    »Ich sagte, ich suche Arbeit.«
    Der kleine Mann nahm die Brille von der Nase, putzte die Gläser mit einem schmierigen Lappen, was die Sache eigentlich nur schlimmer machte, und setzte sie dann wieder auf. Er kniff die Augen zusammen.
    »Wie alt bist du, Kindchen?«, fragte er.
    »Vierzehn«, log Tess. »Bald werde ich fünfzehn.«
    »Ach«, machte der Wirt nur. »Du bist vierzehn und wirst bald fünfzehn. Soso. Schon verstanden.« Er zog die Nase hoch und spuckte einen dicken gelben Klumpen in einen Messingnapf, der neben dem Tresen stand. »Bist wohl eher von zu Hause abgehauen, was ?«
    »Bin ich nicht«, sagte Tess, aber sie merkte, dass sie nicht sonderlich überzeugend klang.
    »Na, soll mir auch egal sein.« Er schwang wieder den Besen, auf den er sich die ganze Zeit gestützt hatte. »Ich habe keine Arbeit. Verschwinde von hier.«
    »Sie brauchen mich auch nicht zu bezahlen. Ich will nur ein Bett und drei Mahlzeiten am Tag.«
    Das schien ein Angebot zu sein, das dem Wirt prüfenswert erschien. »Hm«, machte er und kratzte sich an der Nase. »Hast du schon einmal als Kellnerin gearbeitet?«
    »Nein, aber ich lerne schnell«, erwiderte Tess hastig. »Ach«, sagte der Wirt nachdenklich und zupfte sich jetzt am Ohr. »Und du bist dir für keine Arbeit zu schade?« Tess schüttelte den Kopf.
    Der Mann bleckte beim Grinsen etwas, was in einem früheren Leben vielleicht einmal Zähne gewesen sein mochten. Er spuckte in seine Hand und streckte sie ihr entgegen. »Dann hast du die Arbeit.« Er bemerkte ihr Zögern. »Was ist? Schlag ein! Oder hast du es dir anders überlegt?«
    Tess gab ihm widerwillig die Hand.
    »Wie heißt du eigentlich?«
    »Tess.«
    »Sehr schön. Ich bin Phineas Wooster.« Er drückte ihr den Besen in die Hand. »Du kannst sofort anfangen«, sagte er grinsend. »Wenn du mit dem Fegen fertig bist, wischst du den Tresen, spülst die Gläser – und reinigst die Spucknäpfe.«
    Tess stöhnte innerlich, versuchte aber sich ihren Ekel nicht anmerken zu lassen.
    »Ich werde in der Zwischenzeit deine Kammer fertig machen. Ist lange her, dass hier ein

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