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Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay

Titel: Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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das ist Unsinn. Elsa war gestern noch ganz gesund.«
    »Elsa hatte Leberegel«, sagte Hakon. Alles drehte sich vor ihm. »Schneiden Sie sie auf, dann werden Sie es sehen.«
    »Ich wusste doch gleich, dass mit dem Vieh etwas nicht stimmte«, knurrte der andere, zweifellos Henning Flersgard, und wollte seinem Freund an die Gurgel springen, wurdeaber im letzten Moment von seiner Frau daran gehindert. Ein Blitz zuckte durch Hakons Kopf und er stöhnte auf.
    »Sie sind Opfer eines doppelten Betruges, Henning Flersgard«, krächzte er. »Boris Marklund hat Ihnen nicht nur eine todkranke Kuh verkauft, er hat auch noch ein Verhältnis mit Ihrer Frau.« Der Boden unter Hakons Füßen schwankte wie das Deck eines Schiffes im Sturm.
    Die Frau an Flersgards Seite schrie auf. »Du dreckiger kleiner Lügner. Wenn du solch eine Behauptung aufstellst, solltest du sie besser auch beweisen können!«
    Hakon wischte sich mit einer fahrigen Bewegung den Schweiß von der Stirn. »Sie heißen Annegret und erwarten in sieben Monaten ein Kind von Boris Marklund. Wird es ein Mädchen, nennen Sie es Hekla, nach Ihrer Großmuter.«
    Ein Tumult brach aus. Boleslav rannte in die Manege, um das Publikum zu beschwichtigen, während Vera Hakon auffing, dem plötzlich die Knie einknickten. Nadja stand noch immer da, als hätte sie der Blitz getroffen. Sie hatte die Hand vor den Mund geschlagen. Der Platz neben ihr war auf einmal leer.
    Dr. Mersbeck war verschwunden.
     
    ***

Die Welt, so hatte Tess immer gedacht, ist ein Ort, der eine Mauer braucht, damit sich das Leben nicht verflüchtigt. Im Kommunalen Waisenhaus Nr. 9 mochte es tatsächlich so gewesen sein, aber die Wirklichkeit war anders, erschreckender, berauschender.
    Noch nie hatte Tess so viele Menschen, so viele erwachsene Menschen wie in den Straßen von Lorick gesehen. Im Waisenhaus waren die Erzieher und Lehrer, abgesehen von einigen seltenen Ausnahmen, die natürlichen Feinde der Kinder gewesen. Hier in diesem wunderschönen Park, der Tess’ Vorstellung vom Paradies ziemlich nahekam, war alles anders. Überall war glockenhelles Kinderlachen zu hören, und auch die Erwachsenen hatten Freude am Spiel mit Bällen oder dem Füttern von Enten. Niemand schien Angst vor dem zu haben, was der nächste Tag bringen mochte. Alle waren gut genährt und trugen saubere Kleidung, sodass sich Tess in ihrem grauen Kleid fast ein wenig schäbig und deplatziert vorkam. Sie strich mit der Hand über das satte, kurz geschnittene Gras und lauschte dem Rauschen des Windes im Geäst des Baumes.
    Noch einmal versuchte sie zu erfassen, wie sie aus dem Waisenhaus hatte fliehen können, doch sie hatte keine schlüssige Erklärung dafür. Irgendwie war es ihr gelungen, so wie sie manchmal im Traum fliegen oder übermenschliche Kräfte entwickeln konnte. Und wenn dies hier ein Traum war, dann sollte er so lange wie möglich andauern.
    Eine erste Ahnung, dass ihre Flucht keine Illusion war, überkam sie, als sie das Knurren ihres Magens hörte. Sie hatte das Frühstück verweigert, und so war die letzte Mahlzeit das gestrige Abendessen gewesen, das nur aus wässrigem Haferbrei und einer Tasse Tee bestanden hatte. Sie musste etwas essen, aber natürlich hatte sie kein Geld, um sich irgendwo ein Brot oder einen Teller Suppe kaufen zu können.
    Tess stand auf und klopfte sich das Gras vom Kleid. Siekonnte die Frauen fragen, die auf einer Bank saßen und sich angeregt unterhielten, während die Kinder sich lautstark um eine Puppe stritten, aber etwas sagte ihr, dass dies keine gute Idee war. Ihre Kleider waren wie die ihrer Sprösslinge weiß und duftig und von teurem Zuschnitt. Diese Frauen wollten unter sich bleiben und ganz bestimmt nicht den Imbiss, der für ihre Liebsten bestimmt war, mit einem wildfremden, ärmlich gekleideten Mädchen teilen. Wenn Tess irgendwo eine freie Mahlzeit auftreiben wollte, musste sie dorthin gehen, wo es Geschäfte und Läden gab. Vielleicht würde dort etwas für sie abfallen.
    Das Zentrum Loricks wurde durch eine Reihe imposanter Hochhäuser markiert, deren Fenster in der hoch stehenden Sonne glänzten und mit dem marmorweißen, von bizarren Mustern durchbrochenen Mauerwerk um die Wette strahlten. Die meisten der imposant aufragenden Gebäude waren vierzig, fünfzig Stockwerke hoch und durch Fußgängerbrücken miteinander verbunden, deren Streben asymmetrisch wie zerrissene Spinnweben waren. Die sie umgebenden niedrigeren Häuser waren wie die Straßen auf diesen Mittelpunkt

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