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Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay

Titel: Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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von niedrigen Buchsbaumhecken umsäumten Beeten. Am Straßenrand standen überraschend viele Automobile, mehr, als Hakon jemals gesehen hatte. Die Familien, die hier wohnten, hatten mit Sicherheit keine Geldprobleme, wenn sie sich sogar die neuen Modelle ohne Dampfkessel leisten konnten. Dafür herrschte hier ein gesundes Misstrauen Fremden gegenüber. Wohin sie auch kamen, spürte Hakon die argwöhnischen Blicke der Menschen, die die Gardinen einen Spalt öffneten, um hinaus auf die Straße zu spähen.
    Boleslav schien das nicht weiter zu stören. Je mehr sie die kleine, schmucke Stadt erkundeten, desto prächtiger entwickelte sich seine Laune. Vermutlich hörte er schon das Geld in der Kasse klimpern. Hakon hingegen spürte, dass sie in diesem Nest alles andere als willkommen waren. Hier war es so entsetzlich sauber und aufgeräumt! Stutzten die Leute den ganzen Tag ihre Hecken?
    Dennoch schlug Norgeby auch eine andere Saite in ihm an. Eine, die sich nach genau so einem Leben sehnte. Meist wischte er diesen Wunsch erfolgreich mit solchen Begriffen wie Spießigkeit und Langeweile weg. Aber manchmal, nur manchmal, wenn sie in einem Ort waren, der wie ein niedliches Klein-Trolleby aussah, konnte er nur schwer ein Seufzen unterdrücken.
    Der Zirkus war seine Familie, nicht dass da der geringste Zweifel aufkam. Aber diese Unrast, die das Leben aller Zirkusleute bestimmte, war ermüdend, selbst für einen fünfzehnjährigenJungen wie ihn. Er hatte keine Freunde in seinem Alter. Er kannte niemanden, der nichts mit dem Zirkus zu tun hatte. Wenn er sich mit Hesekiel oder den Zwillingen unterhielt, kamen sie spätestens nach zwei Minuten auf die Arbeit zu sprechen.
    Privatsphäre war auch so ein Wort, das man in solch einem Umfeld nicht kannte. Die Minuten, in denen er alleine war und ungestört seinen Gedanken nachhängen konnte, waren kostbar und selten. Es gab Tage, an denen die Arbeit in Hektik umschlug, da wünschte sich Hakon, er würde einmal erfahren, was Langeweile ist. An einem Ort wie Norgeby würde ihm das gelingen.
    Als sie auf dem mit Blumen und Fahnen herausgeputzten Marktplatz standen, stemmte Boleslav die Fäuste in die Hüften und drückte die Brust heraus, so als wäre er ein Eroberer, der gerade ein besonders reiches Stück Land in Besitz genommen hatte.
    »Perfekt«, sagte er nur, und das sagte er nicht oft. »Absolut perfekt!«
    »Ja, nicht übel«, gab Hesekiel zu. »Jetzt müssen wir nur noch die Bewohner dazu überreden, in Scharen unsere Nachmittags- und Abendvorstellungen zu besuchen.«
    Boleslav nickte. »Haben wir nicht noch einige Plakate irgendwo herumliegen? Wir müssen alles damit zupflastern. Bis morgen muss jeder wissen, dass der Zirkus in der Stadt ist.«
    Hakon rollte mit den Augen. Er wusste, wer sich darum zu kümmern hatte. Die kommenden Tage würde er wahrscheinlich kaum Schlaf finden.
    »Vielleicht sollten wir noch dem Ortsvorsteher Bescheid sagen«, wandte Hesekiel ein.
    »Ja, das sollten wir wohl, nicht wahr? Das da vorne könnte das Rathaus sein. Sollen wir mal klopfen?«
    Hesekiel ließ seinem Chef den Vortritt, als ahnte er, dass der Besuch nicht ganz reibungslos verlaufen würde.
    Tatsächlich war der Ortsvorsteher, ein kleiner, mausgrauer Mann namens Stokkeby, von der plötzlichen Aussicht, dass sein Ort über mehrere Tage Heimstatt einer »Wanderbühne« sein sollte, gar nicht begeistert.
    »Uns hat niemand Bescheid gesagt«, sagte er und blinzelte mit seinen wässerigen Augen.
    »Das ist nicht mein Problem«, antwortete Boleslav und wedelte mit der Genehmigung herum. »Wir haben es schriftlich mit Dienstsiegel und Unterschrift: Der Zirkus Tarkovski darf in Norgeby seine wilden Tiere loslassen.«
    »Um Gottes willen!«, machte Stokkeby und ließ sich in seinen Sessel fallen.
    »Kleiner Scherz«, winkte Boleslav lachend ab. »Wir haben einen zahnlosen Kragenbären, der zur Drehorgel tanzt, und einige dressierte Hängebauchschweine und Ziegen. Mehr können wir uns nicht leisten.«
    Stokkeby atmete sichtlich erleichtert auf. »Trotzdem: Sie können hier nicht so einfach hereinschneien und sagen, morgen kommt eine Wanderbühne.«
    »Ein Zirkus«, verbesserte ihn Hesekiel. »Und meine Hängebauchschweine sind alle brav.«
    Stokkeby blinzelte irritiert. »Wie auch immer. Die Feuerwehr muss verständigt werden ...«
    »Wir errichten das Zelt direkt hinter dem Spritzenhaus.« »... die Gemeinde ist nicht informiert ...«
    »Wir hängen noch heute alle Plakate auf, die wir haben.

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