Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay
wird sich herausstellen. Wir haben Ihre Ausweise überprüft. Sie sind abgelaufen.«
»Morgen werden wir sie verlängern lassen«, sagte Boleslav hastig.
»Morgen ist es zu spät. Ich muss Sie heute bitten, uns zu begleiten. Und zwar alle!«
»Das wird nicht gehen! Wir haben morgen in Norgeby eine Vorstellung!«
»Die werden Sie absagen müssen.«
»Aber dann sind wir ruiniert!«, schrie Boleslav, dessen Angst vor der Pleite nun größer schien als die vor dem Beamten.
»Mein Vater hat Recht«, mischte sich Hakon ein, der befürchtete, sein Vater würde etwas Unüberlegtes tun. »Bitte! Unsere Papiere müssen nur noch einmal abgestempelt werden, das ist alles!«
»Das ist nicht mein Problem.«
»Nein«, sagte Hakon. »Aber Sie machen eines daraus!« »Hakon!«, flehte seine Mutter. »Sei still! Du machst alles nur noch schlimmer!«
Aber das war Hakon egal. Wut über die Willkür diesesAgenten der Inneren Sicherheit kochte in ihm hoch. Und dieser Zorn ließ ihn wieder diese seltsame Kraft spüren. Hakon ließ es zu. Er fixierte den Mann, als wollte er ihn mit seinem Blick aufspießen.
Du wirst mit deinen Männern von hier verschwinden und in deinem Bericht schreiben, dass alles in Ordnung war.
Es war, als ob sein Geist gegen eine Gummiwand lief und abprallte. Irgendetwas blockte ihn ab und das war ein höchst unangenehmes, fast schmerzhaftes Gefühl.
Swann drehte sich langsam zu Hakon um und starrte ihn ungläubig an. Als sich ihre Blicke trafen, war die Ahnung eines Lächelns in seinem Gesicht zu sehen. Er zückte seine glänzende Messingpfeife und stieß einen Pfiff aus.
»Gebt den Leuten ihre Sachen zurück. Wir fahren wieder!«, rief er.
Die Tarkovskis verstanden die Welt nicht mehr. Überrascht schauten sie sich an.
»Komm mit«, sagte Swann.
Hakon folgte dem Mann hinter Hesekiels Wagen, wo der Agent ein Bonbon auswickelte und es sich in den Mund steckte.
»Du bist gut«, sagte er.
»Ich weiß«, stammelte Hakon.
Swann lachte verächtlich. »Ja. Natürlich weißt du das.« Er schüttelte den Kopf über das, was er offensichtlich als jugendliche Arroganz interpretierte, in Wirklichkeit aber Hakons verzweifelter Versuch war, so wenig wie möglich von sich preiszugeben. Wenn dieser Kerl in der Lage war, einen Angriff auf seine Gedanken so souverän abzuwehren, wozuwar er noch imstande? Hakon versuchte noch einmal, seine Fühler auszustrecken.
»Hör auf damit«, fuhr ihn Swann an. »Du hast es vorhin nicht geschafft, als ich nicht darauf vorbereitet war, da wirst du jetzt erst recht keinen Erfolg haben.« Er zerbiss das Bonbon. »Wann hast du dich infiziert?«
Hakons Hirn arbeitete auf Hochtouren. Wann hast du dich infiziert – was war das für eine Frage? Womit sollte er sich denn angesteckt haben? Und was hatte das mit seiner Fähigkeit zu tun, plötzlich die Gedanken anderer Menschen lesen zu können? Dann war das also eine ... Krankheit? Sein Instinkt sagte ihm, besser so zu tun, als wisse er, wovon der Mann redete. »Vor drei Tagen.«
»Wo?«, fragte Swann. Die Gläser seiner Brille spiegelten so stark das Sonnenlicht, dass die Augen nicht zu sehen waren.
»In Vilgrund«, antwortete Hakon, ohne nachzudenken. »Sie werden es nicht kennen.«
»Oh, ich kenne Vilgrund sehr gut. Ich verstehe. Ist die Lieferung schon angekommen?«
Offenbar hatte Hakon die richtige Antwort gegeben. Doch von welcher Lieferung sprach der Kerl? Hakon beschloss, einfach weiter mitzuspielen. »Nein«, antwortete er wahrheitsgemäß. »Es ist noch nichts geliefert worden.«
»Ihr tretet morgen in Norgeby auf.« Das war keine Frage, sondern ein Befehl. »Nach der Vorstellung werde ich kommen und die Ware zustellen. Du wirst mir helfen, sie zu verteilen. Mit deinen Fähigkeiten sollte das kein Problem sein.«
»Das glaube ich auch nicht«, sagte Hakon, der fieberhaftüberlegte, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde und was das alles zu bedeuten hatte.
Swann hatte sich schon zum Gehen gewandt, da drehte er sich plötzlich noch einmal um. »Eines musst du mir noch erklären: Wieso lebst du außerhalb des Kollektivs? Eigentlich müsstest du mit jedem von uns verbunden sein.«
Hakons Gedanken überschlugen sich. Von was verdammt noch mal redete dieser Swann? Was war dieses Kollektiv? Nun, er würde besser so tun, als wisse er auch darüber Bescheid. »Ich bin erst seit Kurzem infiziert und wir sind erst seit heute in der Stadt. Vielleicht liegt es daran«, sagte er vorsichtig.
Swanns eisblaue Augen ruhten auf
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