Morland 02 - Die Blume des Bösen
schmunzeln.
»Wie schön, dass dieses Verhör für Sie so unterhaltsam ist, aber ich glaube, Sie sind sich des Ernstes der Lage nicht bewusst.«
Doch, Lennart war sich dessen durchaus bewusst. Wenn Grimvold oder irgendein anderer herausbekam, dass Anders Magnusson ihn für den Geheimdienst rekrutiert hatte, war sein Leben nicht mehr viel wert. Das Kollektiv wusste bestimmt längst, dass er Swann erschossen hatte. Aber auch hier im Gefängnis behielt er es besser für sich, dass er einPolizist war. Der eine oder andere Insasse mochte noch eine offene Rechnung mit Männern wie ihm haben. Denn Lennart machte sich da keine falschen Hoffnungen. Wenn kein Wunder geschah, würde er hier im Staatsgefängnis sterben. Er musste vorsichtig sein. Solange die Hoffnung bestand, dass seine Kinder am Leben waren, durfte er kein Risiko eingehen. Was aber nicht hieß, dass er nun mit diesem Möchtegern-Ermittler kooperieren musste.
Auch Grimvold schien zu merken, dass er bei Lennart nicht weiterkam. »Schade«, sagte er und erhob sich. »Sie hätten sich mit einem Geständnis einige Jahre an diesem Ort ersparen können.« Er trat hinaus auf den Flur und winkte einen der Soldaten heran, die in der Wachstube auf der gegenüberliegenden Seite des Flures ihren Dienst versahen.
»Block 1«, sagte Grimvold.
Der Soldat verdrehte Lennart die Hände auf den Rücken und legte ihm Handschellen an. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, wandte sich Grimvold wieder einer neuen Akte zu. Vielleicht, so dachte Lennart, hätte er das Schinkenbrot doch essen sollen. Ihn beschlich der Verdacht, dass er in der nächsten Zeit mit weniger schmackhaften Mahlzeiten Vorlieb nehmen musste.
Block 1 war der Teil des Gefängnisses, in dem die Neuzugänge aufgenommen wurden. Das Ritual war immer das gleiche: Man musste sich in einem kahlen Raum nackt ausziehen und eine erniedrigende Leibesvisitation über sich ergehen lassen. Sie schauten einem in die Ohren, die Nase, den Mund. Dann musste man sich nach vorne beugen, damitauch die letzte Körperöffnung untersucht werden konnte. Schließlich gab es eine neue Kluft: Hose und Jacke aus einem gestreiften, kratzigen Stoff sowie ein paar Holzschuhe. Dazu händigte man ihm in einem Holzkistchen ein Stück Seife, ein Tütchen Zahnpulver sowie eine Zahnbürste aus, deren Griff abgesägt worden war, damit er keinen Unsinn damit anstellte. Lennarts Zivilkleidung wurde in einem Karton verstaut, die mit seiner Häftlingsnummer versehen war. Als er fertig war, führte man ihn einen Raum weiter, wo man ihn anwies, auf einem Stuhl Platz zu nehmen. Ein Mann trat an ihn heran und ohne mit Lennart, der jetzt Häftling 176671 hieß, ein Wort zu wechseln, rasierte er ihm mit einer Maschine das Haupthaar ab. Hatte die grobe Wolle der Sträflingsmontur vorher schon gekratzt, so taten die abgeschnittenen Haare nun ihr Übriges, Lennart das Gefühl zu vermitteln, er hätte Flöhe.
Man führte ihn zu einem weiteren Stuhl, der vor einer weißen Wand stand und mit einem Mechanismus versehen war, sodass man ihn um neunzig Grad drehen konnte, ohne dass der Gefangene aufstehen musste. Eine Tafel mit der Häftlingsnummer und dem Tagesdatum wurde ihm in die Hand gedrückt. Lennart musste sie so halten, dass sie mit auf die Ambrotypie kam, die man sowohl von vorne als auch im Profil machte. Dann war er fertig. Zwei Wachen erschienen und brachten ihn in Block 2.
»Öffnet Zelle 54!«, rief eine der Wachen. Mit einem lauten Zischen glitt das Gitter beiseite und Lennart erhielt einen Stoß.
»Schließt Zelle 54!« Es zischte erneut und das Gitter bewegte sich wieder zurück, bis das Schloss einrastete. »Streck die Hände durch die Essensöffnung.«
Lennart drehte sich um und präsentierte der Wache seine Handschellen, die nun abgenommen wurden. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ließen ihn die beiden Männer zurück.
Die Zelle, in die man ihn gesteckt hatte, war außer einer Pritsche leer – wenn man einmal von dem Holzeimer absah, der in der Ecke unter dem Fenster stand und in den er seine Notdurft verrichten konnte. Als Klopapier dienten einige Blätter des Morländischen Abonnentenblattes . Einzige Lichtquelle war ein kleines, vergittertes Fenster. Es war so hoch angebracht, dass Lennart nicht hinausschauen konnte, selbst wenn er sich auf die Pritsche stellte.
Lennart massierte seine Handgelenke und schaute durch die Stäbe hinaus in den Korridor. Er kannte das Gefängnis aus seiner Zeit als Polizist und zum letzten Mal
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