Morland 02 - Die Blume des Bösen
ändern?«
Lennart hielt mit der Arbeit inne und schaute dem Capo in die Augen. »Nicht unbedingt. Ich arbeite lieber auf eigene Rechnung.«
Der Capo lächelte müde. »Ja, natürlich. Das mag vielleicht draußen funktionieren, aber hier bist du alleine aufgeschmissen. Oder denkst du etwa, dieser Pavo wird dir helfen können, wenn es einmal brenzlig wird?«
Lennart hob die Augenbrauen.
»Glaubst du wirklich, dass man die Neuzugänge unbeobachtet lässt?«, fuhr der Capo fort. »Überleg es dir. Und wenn du dich dazu entscheidest, unserem Verein beizutreten, stehst du unter unserem Schutz. Dann wird dir auch Larus nichts mehr antun.«
»Ich habe keine Angst vor Larus.«
»Ja, das hast du bereits gezeigt. Aber es werden andere kommen und mit denen wirst du nicht so ohne Weiteres fertig. Es gibt nicht nur Männer von Ehre hier im Knast. Die Todskollen sind schon Abschaum, aber vor den Freien ist niemand sicher. Schon gar nicht so einer wie du.«
»Ich werde es mir überlegen«, sagte Lennart.
»Tu das, aber nicht zu lange.« Der Capo streckte seine Hand aus. »Mein Name ist Halldor.«
»Aram«, sagte Lennart und drückte zu. Halldor hielt Lennarts Hand fest, dann lächelte er. »Wird Zeit, dass du hier im Knast einen anständigen Beruf lernst.« Er drehte sich um und winkte einen Mann zu sich herüber. »Ovidiu! Ab heute hast du einen Lehrling.«
»Hallo, Aram«, sagte Ovidiu, der seinen Ohrsteckern nach in der Rangfolge nur knapp unter Halldor stand.
»Hallo«, erwiderte Aram den Gruß.
»Schon mal mit Werkzeug gearbeitet?«
»Nicht oft.«
»Umso besser. Gar keine Technik ist besser als eine falsche Technik, die man wieder mühsam verlernen muss. Ich verspreche dir, am Ende der Woche wirst du deine erste Bank zusammengebaut haben.«
»Aha, sie wussten also, dass wir beide ein Paar sind«, sagte Pavo gut gelaunt. Sie saßen abseits an einem Tisch im Gefängnishof. »So ein Knast ist wie ein Dorf. Hier kann man noch nicht einmal unbemerkt aufs Klo gehen.« Er schaute sich belustigt um, und Lennart befürchtete schon, dass er jemandem zuwinken würde.
»Du weißt ja, was ich gesagt habe. Manchmal muss man einen Pakt mit dem Teufel eingehen, um seine Ziele zu erreichen. Ob er nun Einar Gornyak heißt oder Jefim Schestakow ist dabei eigentlich ziemlich egal. Nur in einem hat Halldor Recht: Vor den Freien solltest du dich in Acht nehmen. Sie haben keinerlei Ehrenkodex. Man kann sich nicht auf sie verlassen.« Pavo zog nervös an einer dünnen Zigarre und hielt sie dann Lennart hin, der aber den Kopf schüttelte.
»Ja, ich weiß. Es ist ein ungesundes Laster«, sagte Pavo und zog noch einmal daran. »Und ich kann dir sagen, hier drinnen sogar ein ziemlich Teures.«
»Dann werde ich Halldors Angebot annehmen«, sagte Lennart bestimmt.
»Keine Angst, dass du dir als Bulle die Hände schmutzig machst?«
»Als ehemaliger Bulle.«
»Macht das einen Unterschied? Ich glaube, dass du noch immer ein anständiger Mensch bist«, sagte Pavo und hustete. Angewidert warf er den Rest der Zigarre auf den Boden und trat sie aus.
»Ich glaube, für meine Kinder würde ich auch einen Mord begehen«, sagte Lennart.
»Ja, das traue ich dir glatt zu«, entgegnete Pavo ernst. »Deswegen sei vorsichtig, was du tust. Wenn du den Wargebrüdern beitrittst, verkaufst du Schestakow deine Seele. Dann gibt es kein Zurück mehr. Du wirst die Wargebrüder erst verlassen, wenn du tot bist.«
»Dann verliere ich besser keine Zeit, was ?« Lennart stand auf und gab Pavo einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. Er überquerte den Hof, an den Freien und den Todskollen vorbei, die ihm feindselig nachstarrten. Es bestand kein Zweifel daran, dass sie wussten, was gestern in der Tischlerei geschehen war. Und sie ahnten, dass er für sie verloren war.
Vor der Linie, die das Territorium der Wargebrüder markierte, blieb er stehen. Halldor war in ein Gespräch mit Sches takow vertieft, der Hagen Lennart zuerst entdeckte. Er
stieß Halldor an und machte ihn auf den Bittsteller aufmerksam. Jetzt drehten sich auch die anderen zu ihm um. Halldor stand auf und strahlte über das ganze Gesicht.
»Ich freue mich, dass dich dein Weg zu uns geführt hat«, sagte er feierlich und ergriff Lennarts Hand. Er machte eine einladende Geste und trat beiseite, sodass Lennart nun vor Schestakow stand.
Lennart kannte den Mann aus seiner Zeit als Polizist, obwohl er ihm nie persönlich begegnet war. Schestakow strahlte eine Jovialität aus, die über
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