Morland 02 - Die Blume des Bösen
Unfähigkeit zu beschweren, was aber wohl niemanden so richtig interessierte.
So fegte Lennart die Werkstatt zunächst mit der leidenschaftslosen Gründlichkeit eines Mannes, der sich um jeden Preis unsichtbar machen wollte. Er wusste nicht, was die richtige Strategie im Umgang mit diesen Männern war. Also machte er sich klein, blickte nicht auf und suchte auch keinen Augenkontakt. Aber es half natürlich nichts. Es war wie auf dem Schulhof: Der Schläger terrorisierte immer das unauffälligste Kind, weil er von ihm die geringste Gegenwehr erwarten konnte.
Der Wargebruder, der sich vor Lennart aufgebaut hatte, war vielleicht einen halben Kopf größer und hatte dem eingerissenen Ohr nach zu urteilen mindestens schon eine Degradierung hinter sich. Er besaß einen einzigen Ring, der nur aus Silber war und zudem das linke und nicht das rechte Ohr zierte. Lennart musste nicht zu den anderen Wargebrüdern schauen, um zu wissen, dass er es mit dem Prügelknaben des Rudels zu tun hatte, der sich nun auf seine Kosten profilieren wollte. Lennart ignorierte ihn und kehrte um ihn herum.
»He, wo bleibt dein Respekt?«, sagte der Kerl und stellte sich ihm in den Weg. »Schau mich gefälligst an.«
»Warum sollte ich das tun«, antwortete Lennart. Ungerührt fegte er weiter.
Der Wargebruder riss Lennart den Besen aus der Hand, zerbrach ihn über dem Knie und warf die beiden Teile auf den Boden. »Weil ich mit dir reden will. Los. Schau mich an!«
Lennart seufzte und tat ihm den Gefallen. Die anderen Wargebrüder hatten ihr Gespräch unterbrochen und schauten jetzt herüber, wohl um zu sehen, wie Lennart sich schlagen würde.
»So. Zufrieden? Ich würde jetzt gerne weitermachen.« »Du machst weiter, wenn ich es dir sage.«
Lennart musterte den Kerl genauer. Es war ein junger Bursche von vielleicht neunzehn Jahren, ein Draufgänger, der sich nicht kontrollieren konnte. Mit Sicherheit war er kräftiger als Lennart, doch als ehemaliger Streifenpolizist hatte auch er den einen oder anderen Trick auf Lager.
»Ich glaube, dein Capo hört so etwas gar nicht gerne«, flüsterte Lennart und schaute bedeutungsvoll zu dem Mann hinüber, der ihn für diese Arbeit eingeteilt hatte. Die Augen des Burschen flackerten nervös, aber nur für einen Moment. Das reichte Lennart, um zu wissen, was jetzt gleich geschehen würde – wenn er dem Kerl nicht zuvorkam.
Er befürchtete, mittlerweile etwas eingerostet zu sein, doch seine Reflexe waren noch da. Er überlegte, ob er seinem Gegenüber zuerst in den Unterleib treten sollte, entschied sich aber dagegen, da die anderen Wargebrüder es als hinterhältigen Akt interpretieren könnten, was es letztendlich ja auch war. Also zielte er mit dem Handballen auf die Nase
seines Gegners und trat ihm mit aller Wucht von vorne gegen das Knie, das mit einem hässlichen Geräusch brach. Mit einem lauten Aufschrei sackte sein Gegner zusammen.
»Du Schwein«, heulte der Getroffene. »Du elendes Schwein! Du hast mein Bein gebrochen.«
Einer der Wargebrüder sprang auf, um sich auf Lennart zu stürzen, wurde aber vom Capo festgehalten und zurück auf seinen Platz gedrückt.
Ohne auf das Jammern des Kerls zu achten, hob Lennart die beiden Teile seines Besens auf, legte sie auf eine Werkbank und holte sich aus der Ecke einen Ersatz. Dann fegte er weiter. Er hoffte, dass es so aussah, als würde er vor Selbstbewusstsein strotzen, dabei machte er sich vor Angst beinahe in die Hose. Sein Herz raste wild und er musste sich zwingen, nicht einfach auf einem Hocker Platz zu nehmen, weil seine Beine sich weich wie Pudding anfühlten.
Der Bursche heulte noch immer vor Schmerzen, stieß wüste Flüche aus und war auch sonst nicht mehr Herr seiner Sinne. Der Capo stemmte sich hoch, ging gemächlich zu seinem Kameraden herüber und betrachtete ungerührt dessen gebrochenes Bein. Dann ging er zur Tür und zog an einer Klingel. Eine Klappe wurde geöffnet.
»Es hat einen Unfall gegeben«, brummte der Capo. »Einer meiner Leute ist ausgerutscht.«
Die Wache spähte durch die Luke und schloss die Klappe wieder. Der Capo vergrub die Hände in den Hosentaschen und ging gemächlich zu Lennart hinüber.
»Du weißt, dass Larus dich jetzt umbringen muss, um seine Ehre wiederherzustellen.«
Lennart drehte sich um und nickte nur, ohne mit dem Fegen aufzuhören.
»Wo hast du das gelernt, dich so zu verteidigen?« »Auf der Straße.«
»Du gehörst noch keinem Boxverein an.«
»Nein.«
»Interesse, das zu
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