Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier
haben.«
Ich war völlig durcheinander. »Ihr wollt mit uns zusammenarbeiten, um diese beiden Probleme zu lösen?«
»Ja, damit später alle Menschen von den ungeheuren Möglichkeiten profitieren können, die die Blumen bieten«, sagte Ilja.
»Zu welchen Bedingungen?«, fragte Nora.
Ilja zuckte mit den Schultern. »Zu keinen.«
»Und was geschieht mit den Menschen, die lieber so bleiben wollen, wie sie sind?«
»Es wäre die Entscheidung eines jeden Einzelnen, ob er ein Eskatay werden möchte oder nicht«, sagte Oksana. »Aber ich glaube, es werden nicht allzu viele dieses Angebot ausschlagen. Sie würden sehr schnell erkennen, dass sie dann Menschen zweiter Klasse wären.«
»Die bestehende Ordnung bräche zusammen«, sagte Nora.
»Das ist Iljas Absicht«, sagte ich zu ihr.
»Wir streben eine Welt an, in der jeder Eskatay wirklich und wahrhaftig frei wäre. In unserer Welt herrschen wenige über viele, weil die Macht ungleichmäßig verteilt ist. Das würde sich ändern.«
»Du bist ein Traumtänzer!«, sagte ich mit einem bitteren Lachen. »Du meinst, nur weil wir alle ein paar besondere Fähigkeiten haben, wären wir plötzlich ein einig Volk von Brüdern?«
»Nun haben wir erstmals die Chance, es auszuprobieren«, sagte Ilja.
»Und was geschieht mit denjenigen, die an deinem Experiment nicht teilnehmen möchten? Willst du sie auf eine entlegene Insel in ein Reservat stecken?«, fragte ich wütend. »Oder willst du sie mit Gewalt zu ihrem Glück zwingen?«
Ilja presste die Lippen aufeinander.
Oksana stand auf. »Komm. Ich sagte dir doch, dass es ein Fehler war hierherzukommen.«
»Weißt du was?«, schrie ich ihn an. »Ich werde dir den Gefallen tun und an gegebener Stelle deine Ideen unterbreiten. Aber nur, damit Noras Vorschlag in die Tat umgesetzt wird.«
»Andre, halt den Mund!«, rief Nora erschrocken.
»Ein paar in der Atmosphäre gezündete EMP-Bomben, und das Thema Eskatay hat sich ein für alle Mal erledigt!«
Nora sah erschüttert zu Boden. Ein triumphierendes Lächeln umspielte Iljas Mund. Er stand auf, ergriff Oksanas Hand und verneigte sich leicht. Ohne ein weiteres Wort verließen sie das Grand Hotel.
Erst jetzt wurde mir klar, wozu mich die Wut auf diese beiden Schwachköpfe verleitet hatte. Ich hatte unsere Pläne verraten. Noras allerletztes Mittel war keines mehr.
Ich ließ mich in einen Sessel fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. »Oh Gott«, murmelte ich. »Es tut mir leid.«
»Ich muss Pertoft anrufen«, sagte sie zu sich selbst. »Er soll alle Atommächte warnen, dass Ilja die Kontrolle über ihr nukleares Arsenal erlangen will.«
1. November 2003
Woronesch hat in der Tat keine Zeit verloren und in den letzten drei Tagen zwei Dutzend Raketensilos in den USA, der Sowjetunion und Indien übernommen. Die Zahl der Eskatay stieg dabei schlagartig auf hundertzwanzig. Oksana hilft Ilja dabei, sie mit ihren telepathischen Fähigkeiten zu kontrollieren. Jetzt weiß ich auch, warum er mit dieser unsäglichen Frau zusammen ist: Er benötigt sie, um sein eigenes kleines Kollektiv zusammenhalten.
Die Schuld nagt fürchterlich an mir. Nora hat seit dem Vorfall kein Wort mehr mit mir gesprochen und ich kann sie verstehen.
Guselka ist da bei Weitem gelassener. »Sehen wir es einmal von der positiven Seite«, sagte er, als er mit Nora und mir den Aufbau der elektromagnetischen Eindämmungsfelder im Inneren der Kuppel beaufsichtigte. »Wir haben jetzt endlich klare Verhältnisse. Eine atomare Bedrohung ist etwas, mit dem Betonköpfe wie Limbaugh und Ruzkoi etwas anfangen können. Das passt in ihre Vorstellungswelt. Und sie haben endlich einen gemeinsamen Feind. Zum ersten Mal seit Jahren reden die beiden direkt miteinander, und nach allem, was man sich so erzählt, sollen sie sich sogar ganz gut verstehen. Die ersten Abschussbasen wurden bereits elektromagnetisch gesichert.«
»Da fühle ich mich ja gleich viel sicherer«, erwiderte ich zynisch.
»Dazu haben Sie auch allen Anlass. Wir errichten gerade ein Gleichgewicht des Schreckens. Noch diese Woche wird ein Beistandsabkommen zwischen der Sowjetunion und den USA unterzeichnet. Woronesch wird spätestens dann wissen, worauf er sich eingelassen hat.«
»Aber wer zuerst schießt, stirbt als Zweiter«, sagte Nora. »Ilja wird nicht zögern, sein komplettes Arsenal abzufeuern, sobald einer der beiden Präsidenten den roten Knopf drückt. Außerdem sollten sich Ruzkoi und Limbaugh nicht so sicher sein, dass jede ihrer Raketen
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