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Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier

Titel: Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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kleineren Siedlungen, die meist nur im Sommer bewohnt waren, einfach nicht lohnte. Wer hier lebte, tat es entweder, weil er die Abgeschiedenheit suchte oder weil er dazu gezwungen war.
    »Die meisten Kinder schlafen«, sagte Aria leise und setzte sich neben Hakon. Mit einem Lächeln strich sie Melina eine Strähne aus dem Gesicht. »Die beiden hatten es besonders schwer. Das kommunale Waisenhaus Numme r 9 ist von allen Heimen das übelste. Und der Aufstand vor einigen Wochen hat die Situation dort noch weiter verschlechtert.«
    »Kennst du eine Tess?«, fragte Hakon.
    »Tess Gulbrandsdottir? Aber natürlich. Sie hat in der Bücherei ausgeholfen und war auch sonst nicht auf den Kopf gefallen. Deswegen habe ich mich auch darüber gewundert, dass sie sich während des Streiks auf Eginos Seite gestellt hat. Ist sie auch ei n …«
    »Gist«, half ihr Hakon. »Ja, das ist sie.«
    »Das erklärt ihre Flucht«, sagte Aria. »Sie war die Einzige, die die Wachen überwältigen konnte. Man erzählte sich danach die abenteuerlichsten Geschichten: dass sie kräftig wie zehn Männer sei und fliegen könne.«
    »Kräftig wie zehn Männer? Das stimmt. Aber sie kann nicht fliegen.«
    »Wie auch immer«, sagte Aria. »Hast du eine Familie?«
    Hakon zögerte.
    »Ist schon gut, du musst es mir nicht erzählen«, sagte Aria. »Jeder von uns hat so seine Geheimnisse.«
    »Nein, ich habe mich nur gefragt, wie ich mich ausdrücken soll. Das ist etwas kompliziert. Ich bin in einem Zirkus groß geworden und habe immer gedacht, dass die Familie, bei der ich aufgewachsen bin, auch meine leibliche Familie wäre.«
    »Ist sie aber nicht.«
    »Nein«, sagte Hakon. »Das ist aber auch nicht weiter schlimm. Ich kenne keine anderen Eltern außer Boleslav und Olga.«
    »Geschwister?«, fragte Aria.
    »Eine Schwester, Nadja.« Hakon stutzte und schaute Aria an. »Das klingt jetzt fast wie ein Verhör.«
    Aria wurde rot. »Entschuldige.«
    »Was ist mit dir? Warum bist du im Heim gewesen?«
    »Mein Vater hat sich kurz vor meiner Geburt aus dem Staub gemacht«, sagte sie. »Meine Mutter hatte noch sechs andere Kinder, ich war das jüngste. Aber da ich sie zu sehr an den ›alten Scheißkerl‹, wie sie ihn nannte, erinnerte, hat sie mich kurzerhand beim Waisenhaus abgeliefert. Da war ich vier und verstand die Welt nicht mehr. Es war immerhin meine Mutter und sie sah in mir nur den größten Fehler ihres Lebens!«
    Hakon riss die Augen auf. »Du machst Witze!«
    Sie lachte trocken. »Glaub mir, wenn ich von dieser Frau rede, ist mir nicht nach Späßen zumute.«
    »Das tut mir leid«, sagte Hakon.
    »Muss es nicht. Im Nachhinein denke ich, dass ich Glück hatte. Wäre ich bei ihr geblieben, hätte sie mich irgendwann umgebracht oder ich sie.«
    »So kann man es auch sehen«, sagte Hakon vorsichtig.
    »Nur so kann man es sehen«, korrigierte ihn Aria. »Ich glaube nicht, dass Dinge aus einem Grund geschehen. Das ist Quatsch. Wer das denkt, der sollte sich einmal da oben untersuchen lassen.« Sie tippte sich an den Kopf.
    »Du glaubst nicht, dass es so etwas wie ein Schicksal gibt?«, fragte Hakon.
    »Nein. Es gibt Zufälle, die neue Möglichkeiten eröffnen«, sagte Aria. »Entweder geht man dann diesen anderen Weg oder man bleibt da, wo man gerade steht.«
    »›Stillstand ist der Tod‹, sagte mein Vater immer.«
    »Und da hatte er Recht«, sagte Aria. »Diese Welt stirbt, weil sie sich nicht mehr bewegt. Was du da draußen siehst, ist der letzte Abglanz einer untergehenden Herrlichkeit.«
    »Aria, wie alt bist du? Dreizehn?«, fragte Hakon lachend. »Du klingst, als hättest du schon mehrere Leben gelebt.«
    »Ich klinge genau wie du!«, sagte sie und schaute ihn mit alten Augen an, die so gar nicht zu ihrem jungen Gesicht passen wollten. »Und es ist wahr: Was ich erlebt habe, reicht für mehrere Leben aus. Ich könnte dir Geschichten erzählen, die dich an der Menschheit zweifeln lassen. Wir haben nur eine Hoffnung.« Aria blickte auf die schlafenden Kinder. »Für sie lohnt es sich, alle Bitternis zu überwinden, um zu den Sternen zu gelangen.« Sie hob den Arm und zeigte zum Himmel. »Dort liegt unsere Zukunft. Nicht hier.«
    »In den Sternen?« Hakon bekam langsam den Verdacht, dass Aria verrückt war. »Wie willst du dort hinkommen? Mit einem Luftschiff? Oder willst du dich zu einem Eskatay machen lassen in der Hoffnung, dass du dann fliegen kannst? Da muss ich dich enttäuschen: Wenn du an einer dieser Blumen riechst, wirst du eher sterben als

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