Morpheus #2
die eine Razzia in einer Bar in Pembroke Pines planten, wo sich regelmäßig Minderjährige voll laufen ließen.
Wenn der Normalbürger abends den Motor ab-stellte, mit der Familie zu Abend aß und ins Bett ging, erwachte mit Einbruch der Dämmerung eine andere Welt zum Leben, eine Welt, deren Geschäfte in der Dunkelheit abliefen. Und die Polizisten, die ihnen in die Nacht folgten, beobachteten, lauschten und warteten. In Verstecken, die nach Burger King und kaltem Kaffee rochen, starrten sie durch Nacht-sichtgeräte auf dunkle Eingangstüren, unterhielten sich dabei und machten Witze. Den Knopf im Ohr, lauschten sie, warteten auf den entscheidenden Telefonanruf, das entscheidende Gespräch, das ihnen einen Schuss Adrenalin durch die Adern jagen würde. Sie wagten kaum zu blinzeln, zu niesen, aufs Klo zu gehen, aus lauter Angst, ihn zu verpassen – den Moment, wenn der Verdächtige durchs Fenster türmte, der Deal vonstatten ging, die Worte fielen – den Beweis, der den Schurken überführen würde. Die Nacht hatte viele Geheimnisse, doch sie plauderte auch viele aus.
Dominick saß in seinem Wagen auf der Washington Avenue und beobachtete die florierenden Nachtclubs, die South Beach säumten. Das Nacht-leben ergoss sich auf die Straße – in Versace-Catsuits und Roberto-Cavalli-Minis –, teure Autos tauchten auf und glitten wieder davon, hohe Trink-gelder wechselten die Besitzer.
Dominick hatte ein paar Uniformierte entdeckt, die hier Streife schoben, außer Dienst, und er wusste, dass noch weitere in den Bars waren, sich uner-laubterweise unter das Publikum mischten, unter die VIPs und Prominenten. Auf dem Beifahrersitz lag eine Liste von allen, die hier jobbten, denn jeder Nebenjob musste genehmigt werden. Gleich nach der schwarzen Liste hatte er von jedem Revier die Nebenjob-Liste angefordert. Doch auch wenn sein Wagen nach kaltem Kaffee und Hamburger roch, war Dominick heute Nacht nicht dienstlich hier.
Noch war die Überwachung nicht angeordnet, denn alle hofften darauf, dass sie Valle bald observieren durften – vorausgesetzt, sie bekamen den Segen des Richters und der Oberstaatsanwaltschaft, wenn die Rechtsabteilung des FDLE durch war. Und dann bekamen sie vielleicht ein paar Namen und ein paar Antworten.
Heute Nacht hatte Dominick es einfach nicht geschafft, die Sache beiseite zu schieben, die Suche einzustellen und mit dem normalen Leben weiter-zumachen, nur weil die Uhr ihm sagte, dass er Feierabend hatte. Er hatte erst gemerkt, was er da tat, als er die Handbremse anzog und an seinem Kaffee nippte.
Die Antwort war irgendwo dort draußen. Man musste nur wissen, wo man zu suchen hatte. So war es immer gewesen, hier wäre es nicht anders.
Doch diesmal war es noch schlimmer. Morpheus.
Der Polizistenmörder. Er ließ Dominick nicht schlafen. Er ließ ihn nicht los. Etwas tief seinem Inneren zwang ihn, auf eigene Faust Nachforschungen an-zustellen, sogar mitten in der Nacht.
Dominick dachte an seinen Vater. Was war dein Preis, Dad? Wie viel Geld hast du fürs Wegsehen genommen? Und war es das wert? Er schloss die Augen und lehnte den Kopf zurück. In der Dunkelheit sah er seinen Vater vor sich, wie er spätnachts in der blauen Uniform nach Hause kam, die Pistole im Holster, die glänzenden Handschellen baumelten neben dem schwarzen Gummiknüppel an seinem Gürtel. Dominick war wach gewesen, lag im Bett, beobachtete die Schatten von einer Party gegen-
über, die an seiner Decke tanzten, und wartete. Er wartete auf das Rasseln des Schlüssels, das Quietschen der Tür, das Aufschnappen des Riegels.
Noch heute spürte er den kalten rissigen Linoleum-boden unter seinen nackten Füßen, als er sich an jenem Abend leise in die Küche schlich, wo sein Vater saß, auf dem Tisch ein kaltes Miller und ein Päckchen Marlboro.
Die druckfrischen Scheine in der Hand seines Vaters klangen wie leises Flüstern, als er sie kaum hörbar zählte und zu einem schmalen Bündel zu-sammenlegte. Schon mit zwölf hatte Dominick gespürt, dass er Zeuge von etwas Verbotenem war, auch wenn er nicht wusste, warum; die Luft hatte irgendwie anders gerochen, sich anders angefühlt.
Er lauschte, während sein Vater den kleinen Stapel immer wieder zählte, als könnte die Zahl ummöglich stimmen, dabei sein Miller trank und eine Zigarette nach der anderen rauchte. Dominick war nie wieder aufgeblieben, um auf seinen Dad zu warten.
Jetzt, im Schutz seines Wagens unter den Stra-
ßenlaternen von South Beach, zwang sich Dominick,
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