Morpheus #2
mit aller Macht, sich zu beherrschen. Das Grinsen war verschwunden. Ein dritter Vollzugsbeamter hatte sich hinter ihn gestellt.
«C. J. Mädchen, du siehst blass aus. Komm, trink einen Schluck.» Ungeduldig hielt Rose ihr ein Glas Wasser hin. «Und jetzt lass uns nach hinten gehen, bevor Chaskel ausrastet. So schrecklich das Ganze ist, am Ende kommt es uns vielleicht zugute. Ohne Lourdes gibt es keine Berufung. Bantlings neues Beweismaterial ist flöten gegangen, und wir dürfen vielleicht früher nach Hause, als wir gedacht haben.»
VIERUNDSECHZIG
«Was zum Teufel ist hier eigentlich los?», brüllte Chaskel Neil Mann an, kaum dass C. J. die Tür des Richterzimmers hinter sich geschlossen hatte.
«Herr Richter, ich habe es selbst eben erst -»
«Nein. Sie haben es am Wochenende erfahren. Ich habe es eben erst erfahren – in einem Gerichtssaal voller Kameras und voller Zuschauer.» Er sah C. J.
an, die seinem Blick auswich. «Haben Sie auch davon gewusst?» Überrascht blickte sie auf, und er beantwortete sich die Frage selbst. «Offensichtlich nicht. Also, was ist passiert, Mr. Mann?»
«Ich hatte Ms. Rubio seit dem Huff-Hearing nicht erreicht.» «Und Sie sind nicht auf die Idee gekommen, mich darüber in Kenntnis zu setzen?»
«Sie lebte sehr zurückgezogen, Herr Richter. Bis letzte Woche hatte ich mir nichts dabei gedacht.
Und weil ich nicht um Vertagung bitten wollte, weil ich Mr. Bantling die Gerechtigkeit, die ihm zusteht, nicht noch länger vorenthalten wollte, habe ich einen Privatdetektiv angeheuert, um Ms. Rubio ausfindig zu machen. Um sie vorladen zu können, falls es sein musste. Am Samstag rief mich der Detektiv an und teilte mir mit, dass Lourdes Rubio ums Leben gekommen ist. Anscheinend ist sie in ihrer Kanzlei einem Raubmord zum Opfer gefallen. Die Polizei ermittelt noch, Festnahmen gibt es noch keine. Niemand hat uns hier informiert, weil Ms. Rubio alle Kontakte nach Miami abgebrochen hatte, als sie fortging. Ihre Mutter ist vor einem Jahr gestorben, und sonst hatte sie keine Angehörigen. Es tut mir Leid, Herr Richter», schloss er und sah auf den Boden.
«Ich hätte vor der Verhandlung davon erfahren müssen.»
«Ich habe einlach nicht gewusst, was ich tun sollte. Euer Ehren. Ich weiß es immer noch nicht. Immerhin ist es Mr. Bantlings letzte Chance.»
«Bevor er vors Bundesgericht geht, meinen Sie.»
«Die Fristen für Paragraph A 2254 sind abgelaufen.» Nach Paragraph A 2254 war das Recht auf Berufung vor dem Bundesgericht in der Verfassung verankert, doch dieser Paragraph war noch strenger, was die Fristen anging.
«Das ist nicht mein Problem», seufzte der Richter verdrossen. «Lassen Sie mich nachdenken. Wir haben Rubios eidesstattliche Versicherung.»
«Die als indirektes Beweismittel nicht rechtserheblich ist. Wie eine gewöhnliche mündliche Aussage. Die Staatsanwaltschaft hat das Recht auf Überprüfung der Aussage durch ein Kreuzverhör, Richter», sagte Rose.
«Sie ist tot, Ms. Harris.»
«Eben. Ich will hier nicht gefühllos erscheinen, aber es ist nicht die Schuld der Staatsanwaltschaft, dass sie nicht verfügbar ist. Es tut mir Leid, aber wir haben das Recht, die Zeugin zu vernehmen. Immerhin eine Zeugin, deren Aussage elf Schuldsprüche wegen Mordes kippen soll.»
«Ich kann mich nicht erinnern, dass die Staatsanwaltschaft Einspruch erhob, als es um die Aussage von Officer Chavez ging», widersprach der Richter.
«Das ist etwas anderes. Er war bereits während der Verhandlung von der Verteidigung gründlich ins Kreuzverhör genommen worden. Nach dem Gesetz ist seine Aussage zulässig», beharrte Rose.
«Was wollen Sie? Dass ich die Beweismittel ignoriere, die Mr. Mann vorgelegt hat, und Mr. Bantling zurück in die Todeszelle schicke? Weil die Zeugin, deren Aussage ihn entlasten könnte – seine eigene Strafverteidigerin, die ihrerseits Amtsmissbrauch eingestanden hat –, ermordet worden ist?»
Er wandte sich an Neil Mann, dessen Miene sich etwas aufgehellt hatte. «Das Tonband, um das es geht, liegt doch im Polizeiarchiv. Wir können es von Miami Beach anfordern. Mr. Mann wird bestimmt einen Präzedenzfall finden, der das Band als Beweismittel zulässt, nicht wahr?»
Wieder blickte Mann verlegen zu Boden. «Ich habe es nicht, Herr Richter. Das Band. Sie wollte es mitbringen. Das Original ist schon vor Jahren gelöscht worden, auf dem Revier werden die Bänder nur dreißig Tage lang aufbewahrt. Ms. Rubio sagte, sie habe ihre Kopie am neunundzwanzigsten Tag
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