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Morpheus #2

Morpheus #2

Titel: Morpheus #2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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die sich gegen die Verschwörer gewendet hatte. Und es würde nicht lange dauern, das wusste sie, bis auch andere die unleugbare Verbindung sahen.
    Nach Antworten zu suchen hatte keinen Sinn.
    Stattdessen verschanzte sie sich in ihrem Büro und vertiefte sich in Gesetzestexte, Fallrecht und Westlaw.com. Sie ignorierte Marisols ungeduldiges Klopfen, Jerrys Tiglers Anrufe, die Anfragen der Presse. Denn sie rechnete damit, dass schon bald jemand die Frage formulierte, die sie nicht zu stellen wagte, und dann zeigten alle Finger auf sie. Dann klopfte nicht nur Marisol an der Tür. Dann käme Manny oder Chris Masterson oder die Polizei von Colorado oder das FBI.
    Oder jemand noch Schlimmeres.
    Denn da draußen war einer, der die Antworten auf ihre Fragen kannte. Der Mann, der die Zeugen aufgespürt hatte, der Reihe nach. William Bantling hätte Lourdes nicht beseitigen lassen – die Einzige, die ihn vor der Hinrichtung bewahren konnte. Der Mann, der das Tonband verschwinden lassen wollte, allerdings schon. Der Mann, der nicht wollte, dass Chavez auspackte, dass sich Lindemans Gewissen regte oder dass Riberos Angst ihn vor Gericht trieb, um die Wahrheit auszusagen.
    Man hatte Bantling tatsächlich reingelegt auf dem Causeway, in jener Nacht. Reingelegt von jemandem, der wusste, was Chavez im Kofferraum finden würde: die nackte Frau ohne Herz, das Opfer des Serienmörders Cupido. Denn dieser Jemand hatte ihm die Leiche in den Kofferraum gelegt.
    C. J. erinnerte sich an Greg Chambers Monolog in der schwarz gestrichenen Todeskammer, ihr Gesicht an den kalten Stahl des Operationstischs gepresst. Glaube nicht, ich liefere dir in letzter Minute ein Geständnis ab, um alle Fragen zu klären. Ein paar Rätsel wirst du einjach mit ins Grab nehmen müssen.
    Nicht sie war ins Grab gegangen, sondern er.
    Chambers war tot. Und das bedeutete, dass ein anderer – jemand, der sehr lebendig war – den anonymen Tipp vor drei Jahren gegeben hatte. C. J.
    hatte immer Chambers in Verdacht gehabt.
    Sie hörte, wie sich die Etage nach und nach leerte. Um halb fünf gingen die Sekretärinnen, später packten auch die Major-Crimes-Kollegen ein und trotteten an ihrer Tür vorbei zur Sicherheitsschleuse und zu den Fahrstühlen. Allmählich legte sich die Nacht über das Gebäude. Um neun Uhr war sie die Einzige auf ihrer Etage. Um elf würde sie die Einzige im ganzen Gebäude sein.
    Sie wollte nicht allein nach Hause. Nicht heute Nacht, nicht mit all diesen verrückten, angsterfüllten Gedanken. Zu Dominick konnte sie nicht mehr. Ein Hotel war denkbar, doch dort gab es zu viele Frem-

    de, zu wenig Sicherheit. Hier hatte wenigstens ein Wachmann Dienst, es gab Sicherheitstüren und außer Kollegen und Polizeibeamten war nach Dienstschluss Fremden der Zutritt zum Gebäude verboten.
    Also setzte C. J. um ein Uhr früh noch eine Kanne Kaffee auf, die ihr helfen sollte, den Berg von Fallrecht, der sich angesammelt hatte, abzutragen.
    Heute Nacht würde sie das Plädoyer ihres Lebens schreiben. Das würde sie sicher durch die Dunkelheit führen, bis das Morgenlicht ihr erlaubte, heim-zufahren und sich umzuziehen.
    Danach käme sie hierher zurück. Zurück, um das eine Monster aufzuhalten, bevor das andere Monster sie aufspürte.

SECHSUNDSECHZIG

    Richter Leopold Chaskel saß an seinem Schreibtisch und studierte die Stellungnahmen, die jeweils einen dicken Anhang mit Fallrecht von jedem Gericht des Landes hatten. Bindend waren eigentlich nur die Fälle, die vor dem Dritten Bezirksberufungs-gericht Florida, dem Obersten Gerichtshof Florida und dem Obersten Bundesgericht der Vereinigten Staaten verhandelt worden waren. Doch auch die Urteile anderer Gerichte, selbst außerhalb der hie-sigen Gerichtsbarkeit, konnten als Präzedenzfälle herangezogen werden, wenn die Fakten ähnlich gelagert waren. Mit anderen Worten, wenn vier von fünf Zahnärzten sagten, es sei richtig, dann sollte er sich der Meinung anschließen, den Zahn ziehen zu lassen.
    Seine Augen brannten vom Schlafmangel und der anstrengenden Lektüre der klein gedruckten Texte, und er tupfte sie sich mit dem feuchten Waschlappen ab, den Janine ihm mit dem Mittagessen hereingereicht hatte. Um zwei Uhr morgens hatte er beschlossen einzupacken, war heimgefah-ren, doch er hatte nicht schlafen können und sich herumgewälzt, bis Lucienne, seine Frau, ihn schließlich um fünf Uhr morgens ins Gästezimmer verbannte. Zu diesem Zeitpunkt gab er auf, holte die Lesebrille wieder heraus und fuhr mit der

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